Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
klang.
»Das scheint Ihre Frau allerdings anders gesehen zu haben.«
Dem Landrat war nun deutlich anzumerken, dass ihm das Thema nicht behagte.
»Sie hat empfängnisfördernde Hormone genommen. Wussten Sie das etwa nicht?«, hakte die Oberstaatsanwältin nach.
Der Landrat schien für eine Sekunde irritiert zu sein, aber dann setzte er wieder sein professionelles Haifischlächeln auf und sagte, nicht ohne eine Spur Hinterhältigkeit in der Stimme: »Bei einer kinderlosen Frau um die vierzig ist das ja wohl keine Seltenheit, oder?«
Und jetzt war es die Oberstaatsanwältin, die einen kurzen Moment aus dem Konzept war. Der Landrat nutzte die Verwirrung, um nachzusetzen: »Es wäre mir sehr lieb, wenn Sie mein Privatleben bei den Ermittlungen außen vor lassen könnten. Ich bin durch diese traurige Geschichte weiß Gott genug gestraft.«
Die Oberstaatsanwältin spürte keine Lust, sich von diesem – wie sie aus der Akte wusste – abgebrochenen Jurastudenten Vorschriften machen zu lassen, auch wenn er wirklich nicht übel aussah. Aber die Gundelwein war die Letzte, die sich von solchen Banalitäten ablenken ließ. »Ich hatte ja bereits erwähnt, dass der Täter möglicherweise aus dem persönlichen Umfeld Ihrer Frau stammt«, erklärte sie mit einem maliziösen Lächeln. »Da müssen wir natürlich unserem gesetzlichen Auftrag entsprechend in alle Richtungen ermitteln …«
»Natürlich«, erwiderte der Landrat, ohne sich möglichen Ärger anmerken zu lassen. Er zögerte, als wollte er noch etwas sagen, dann öffnete er die Tür. Aber die Oberstaatsanwältin wäre nicht die Oberstaatsanwältin, wenn sie ihn einfach so hätte ziehen lassen.
»Welchen Aspekt Ihres Privatlebens haben Sie denn gemeint?«, rief sie ihm hinterher. »Hatte Ihre Frau etwa noch andere Geheimnisse vor Ihnen?«
Doch wenn es jemanden gibt, der einer Juristin in Sachen Wortklauberei noch etwas beibringen kann, dann ein mit allen Wassern der Werra gewaschener Kommunalpolitiker: »Erfüllen Sie Ihren gesetzlichen Auftrag, und finden Sie’s raus!«
Mit diesem letzten, nonchalant hingeworfenen Satz verließ er das Zimmer. Als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, zischte ihm die Gundelwein mit der geballten Arroganz der Prädikatsjuristin gegenüber dem erfolglosen Jurastudenten hinterher: »Loser!«
III
Der nächste Tag war bereits Christi Himmelfahrt, auch bekannt als »Herren-« oder – bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen – eben »Vatertag«, an dem es gewöhnlich eher weltlich zugeht, zumal in einem Missionsgebiet wie Südwestthüringen. Sämtliche Meininger Gerichte blieben an diesem bundesweiten Feiertag geschlossen, aber natürlich wurde wie immer vorsorglich ein richterlicher Bereitschaftsdienst eingerichtet für den Fall, dass irgendwo im Gerichtsbezirk irgendwas los war, eine Wirtshausschlägerei zum Beispiel. So ein Richter konnte sich auch als nützlich dabei erweisen zu verhindern, dass irgendein Schlaumeier den Feiertag ausnutzte, um wertvolles Inventar aus seinem insolventen, unter Zwangsverwaltung stehenden Betrieb rauszuholen – vom Laserdrucker bis hin zum Mähdrescher: War alles schon vorgekommen!
Mit anderen Worten: Als Bereitschaftsrichter musste man an und für sich auf alles Mögliche vorbereitet sein. Aber deshalb würde man bei dem schönen Wetter noch lange nicht allein im Büro hocken, wo es doch sowieso niemand mitkriegte. Wozu gab es schließlich das Diensthandy? Und da die männlichen Kollegen an Christi Himmelfahrt ohnehin Besseres zu tun hatten, hatte es sich eingebürgert, dass eine Frau an diesem Tag den Bereitschaftsdienst übernahm. Im laufenden Jahr wäre eigentlich die Richterin Kminikowski dran gewesen. Nun hätte es ihre Vertreterin erwischt, ausgerechnet die scheidende Amtsgerichtsdirektorin. Aber weil die Driesel ja quasi schon mit einem Bein im Ruhestand war, hatte sie dafür gesorgt, dass das Diensthandy beim Hager gelandet war. Ganz gleich, ob der eigentlich vorgehabt hatte, am Herrentag mit seiner Familie in der Fränkischen Schweiz wandern zu gehen. Wenn er schon so scharf auf eine Planstelle war, dann konnte er gefälligst auch etwas dafür tun!
Nebenan in der Polizeiwache war natürlich auch niemand direkt glücklich, ausgerechnet am Feiertag arbeiten zu müssen, zumal Tagesschichten mit bis zu dreihundert Verkehrsdelikten, insbesondere mit Kremserwagenbeteiligung und bis zu zwölf alkoholisierten Zeugen, kein reines Zuckerschlecken waren. Ohne jemandem zu nahe zu
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