Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
Untermaßfeld an sich nicht mit einer besonders hohen Aufenthaltsqualität, es sei denn, man hat ein besonderes Faible für mittelalterliche Wasserburgen oder man ist zufällig Experte für die Geschichte der südwestthüringischen Strafanstalten.
Aber weil der Fickel ja eigentlich Experte für gar nichts ist, außer vielleicht für südwestthüringische Hausmannskost, knatterte er in seinem beigebraunen Wartburg mit Höchstgeschwindigkeit zurück nach Meiningen und bestellte sich im Schlundhaus eine »Forelle Müllerin«, denn Knast macht hungrig. Das Restaurant war heute am Freitag nicht besonders gut besucht. Das lag natürlich auch daran, dass viele Pendler, nicht nur Richter und Anwälte, den Brückentag nutzten, um blau zu machen oder einen Heimarbeitstag einzulegen. Dafür extra einen Urlaubsantrag auszufüllen, grenzte ja schon an Papierverschwendung.
Als der Fickel nach dem Mittagessen nach Hause kam, um sich von den Anstrengungen des Tages beziehungsweise den Folgen des Vortages auszuruhen und ein kleines Nickerchen zu halten, hatte seine Vermieterin überraschend Besuch, wie der Fickel gleich beim Eintreten an dem unbekannten Parfum, das an der Garderobe in der Luft hing, bemerkte. Und als die Frau Schmidtkonz ihm die junge Dame vorstellte, da wunderte sich der Fickel, womit sein sauertöpfischer und nach normalen ästhetischen Maßstäben nicht gerade blendend aussehender Mandant so eine aparte Freundin verdient hatte, auch wenn es – dem Bericht der Schmidtkonz von den Streitereien zufolge – vielleicht eher die Exfreundin war. In dem Alter kann man das ja nie so genau sagen. Offenbar gibt es eine Art Naturgesetz, dass die interessantesten Frauen oft in der Gesellschaft der größten Schnösel zu finden sind. Die Nadin war vielleicht nicht außergewöhnlich hübsch, aber sie hatte eine gewisse Ausstrahlung, nicht nur wegen ihrer rotblond schimmernden Haare, sodass der Fickel reflexartig seinen Bauch einzog, obwohl das ja im Grunde sowieso nur ein minimaler Ansatz ist, von der sitzenden Tätigkeit her.
Subjektiv gesehen hatte sich der Fickel gerade erst von den Folgen seiner Pubertät erholt, und schon steuerte er, ohne es sich restlos einzugestehen, heftig auf die Midlifecrisis zu. Und wenn so ein junges Ding dann noch so schlagfertig ist wie die Nadin, dann kann es sogar passieren, dass der Fickel bei der Unterhaltung plötzlich auf unbegreifliche Weise geistreich wird und zum Witzbold mutiert. Wobei sein Humor im Ergebnis vielleicht nicht ganz passend war, in Anbetracht der besonderen Umstände.
Natürlich interessierte es die Nadin vor allem, wie es ihrem Freund – oder Exfreund – im Gefängnis erging. Der Fickel sah nun wahrlich keinen Grund, ein Blatt vor den Mund zu nehmen, und berichtete den Damen ohne falsche Rücksicht von seinen Eindrücken. Die Nadin schüttelte dabei immer wieder ratlos den Kopf. Denn so kannte sie »ihren« René: dickköpfig bis zum Gehtnichtmehr!
Aber als der Fickel die besorgten Blicke von der Frau Schmidtkonz bemerkte, kriegte er natürlich wieder die Kurve und behauptete, vielleicht mit einem »My« Selbstüberschätzung, dass er den René eventuell sogar noch heute bei der Anhörung freibekomme. Er ging jetzt nämlich fest davon aus, dass der René unschuldig war. Wer es mit einer jungen Elfe wie der Nadin zu tun hatte, dem traute er alles Mögliche zu, jedoch nicht, dass er seine fünfzehn Jahre ältere Ausbilderin vergewaltigte. Man musste kein Jura studiert haben, um das zu kapieren – so wie der Rainer Kummer, als er einige Stunden später vor der Anhörung eine Zigarette mit dem Fickel qualmte. Nur weil er gestern auf der Panzerstraße mit dem Schädel auf den Asphalt geknallt war, war er noch lange nicht auf den Kopf gefallen! Aber dass der Fickel eine Zigarette rauchte, das wunderte ihn schon ein bisschen. So nervös hatte er ihn lange nicht erlebt.
Im Justizzentrum war wegen des Brückentages natürlich wenig los. Sogar die Kantine war geschlossen. Und auch die Beamten von der Polizeidienststelle nebenan hatten jetzt, nachdem sie den Verdächtigen geschnappt hatten, freibekommen und bummelten fleißig ihre Überstunden ab. Selbst der Recknagel ließ heute den lieben Gott einen guten Mann sein und unternahm mit seiner Frau einen Ausflug zum Trusetaler Wasserfall.
Nur die Oberstaatsanwältin Gundelwein hatte sich schon den ganzen Tag wie ein kleines Kind darauf gefreut, ihren juristisch unterbelichteten Exmann beim Anhörungstermin nach allen Regeln
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