Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
dem Gericht zu stellen, daher muss er bis zum Hauptverfahren in Untersuchungshaft verbleiben.«
Da sprang der René plötzlich auf und schrie: »Das ist eine Farce! Sie können mir gar nichts beweisen, gar nichts.« Die Oberstaatsanwältin konnte über seinen Ausbruch nur schmunzeln, und der Hager rief den Beschuldigten augenblicklich zur Ordnung. Der beruhigte sich mühsam und wandte sich vertraulich an seinen Anwalt: »Die tickt doch nicht richtig, die Alte!« Und obwohl das Verhältnis zwischen dem Fickel und seinem Mandanten von Anfang an nicht unbedingt von gegenseitiger Sympathie und Respekt geprägt war – in dem Punkt hätte kein Blatt Papier zwischen die beiden gepasst. Aber das half ihnen im Moment auch nicht weiter. Denn der Hager war inzwischen zu einer Sphinx mutiert und blinzelte nicht mal oder ließ sonst irgendwie erkennen, wie er die Sache rechtlich einschätzte. Wahrscheinlich wusste er es selbst noch nicht.
Jetzt war die Reihe an der Verteidigung, die Dinge wieder ein wenig zurechtzurücken. Nachdem er sich gründlich geräuspert hatte, führte Diplomjurist Fickel mit ruhiger, von der Zigarette noch leicht belegter Stimme aus, dass der Beschuldigte, wenn es denn seine »übermächtige Libido« verlangt hätte, die Kollegin Kminikowski doch ganz einfach auf einen Kaffee hätte einladen können. Schließlich könne das gesamte Amtsgericht bezeugen, dass die Richterin Kminikowski sich stets besonders körperbetont, um nicht zu sagen aufreizend zu kleiden pflegte. Was immerhin dafür spreche, dass sie männlichen Avancen nicht allzu abgeneigt gewesen sei.
An der Stelle rief die Oberstaatsanwältin empört dazwischen: »Will die Verteidigung damit etwa andeuten, dass das Opfer Freiwild war, weil sie gerne kurze Kleider trug? Was ist denn das für ein antiquiertes Frauenbild?«
Aber der Fickel wollte sich die Butter nicht vom Brot nehmen lassen und hielt nicht minder polemisch dagegen: »Wenn die Anklage suggerieren möchte, dass ein junger Akademiker heutzutage angesichts eines Minirocks noch Ohrensausen kriegt und das als Einladung versteht, blindwütig über eine Dame herzufallen, dann spricht das auch nicht gerade für ein modernes Männerbild.«
Jetzt konnte sich die Oberstaatsanwältin Gundelwein nicht mehr beherrschen und ließ sich zu der persönlichen Replik hinreißen: »Mein Männerbild ist so modern wie die Männer, mit denen ich es zu tun habe.«
Aber dieser Satz aus dem Munde der Kollegin gefiel nicht mal dem Hager, und er sah sich gezwungen, alle Anwesenden »nachdrrrücklich« zu mehr Sachlichkeit zu ermahnen. Der Hager hatte nach fünf Jahren als Richter ja auch noch nicht so viel Erfahrung, zumal mit solch einem Haftprüfungstermin, bei dem allerhand schmutzige Wäsche gewaschen wurde. Ihm stand buchstäblich der Angstschweiß auf der Stirn, die Sache könnte ihm jeden Moment aus dem Ruder laufen. Eine Schlägerei zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung wäre sicher auch kein gutes Argument für seine Beförderung zum Amtsrichter auf Lebenszeit.
Als sich die Gemüter wieder ein wenig beruhigt hatten, ergriff der Fickel wieder das Wort: »Wo kommen wir denn hin, wenn ein junger Mann aufgrund von völlig unzureichenden Indizien in Untersuchungshaft genommen wird!«
»Unzureichend?«, schallte es empört von der Anklage herüber.
»Schuhgröße zweiundvierzigeinhalb haben circa zwanzig Prozent der männlichen Bevölkerung«, erklärte der Fickel. Zum Glück hatte er das vorher noch recherchiert.
»Und wie viele von denen haben ein derart schlechtes Gewissen, dass sie nicht an einer DNA -Reihenuntersuchung teilnehmen?«
Jetzt fuhr der Fickel schweres Geschütz auf: »Der Beschuldigte wollte mit seiner Haltung ein Zeichen gegen die grassierende Beschneidung unserer Freiheitsrechte setzen. Die Strafverfolgungsbehörden haben schließlich nicht das Recht, bei jedem Notzuchtdelikt gleich die gesamte männliche Bevölkerung unter Generalverdacht zu stellen.«
Die Gundelwein schüttelte fassungslos den Kopf. »Die Ignoranz der Verteidigung ist unglaublich!«, befand sie. Selbst der René blickte den Fickel leicht befremdet an, etwa so, als sehe er ihn zum ersten Mal. Aber dann grinste er übers ganze Gesicht und verschränkte die Arme vor der Brust.
Der Hager dachte nach. »Aus der Verweigerrrung derrr DNA -Prrrobe allein kann der drrringende Tatverrrdacht noch ned herrrgeleidet werrrd’n«, schnarrte er dann. »Schließlich warrr derrr Beschuldigte zurrr Abgabe rrrechtlich ja
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