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Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Henner Hess
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einsitzen muss, bevor er bei günstiger Sozialprognose langsam wieder in die Gesellschaft ausgewildert wird. Der Fickel nahm jetzt auch kein Blatt mehr vor den Mund und merkte – jetzt seinerseits süffisant – an, er würde dem René die kleine Auszeit ja von Herzen gönnen, aber soviel er als Außenstehender über das soziale Ranking im Knast wisse, müsse man sich da als verurteilter Vergewaltiger und Sexualmörder erst mal ganz hinten anstellen.
    Die Vorstellung schien dem René dann doch nicht so zu behagen, denn in der Folge wurde er tatsächlich etwas nachdenklicher. Aber der Fickel hatte inzwischen die Lust am Strafrecht auch schon wieder verloren und legte seinem Mandanten dringend nahe, sich doch noch einen erfahrenen Anwalt als Wahlverteidiger an die Seite zu holen, zum Beispiel den Doktor Ehrmanntraut aus Schmalkalden, eine international anerkannte Koryphäe, zumindest in Südwestthüringen.
    Bei dieser Empfehlung war es dem Fickel weniger um den Allerwertesten seines Mandanten zu tun als darum, wie er selbst möglichst elegant aus der Nummer wieder rauskam, erstens: ohne seine Vermieterin zu enttäuschen, zweitens: ohne den Stoff von sechs Semestern Strafrecht nachholen zu müssen und drittens: mit einer saftigen Rechnung an die Justizkasse. Denn als gerichtlich bestellter Pflichtverteidiger hatte er sich schon mal eine Gebühr verdient.
    Anscheinend hatte der Fickel so eine Art siebten Sinn, dass ihm dieser undurchsichtige Fall mit einem verstockten Mandanten nur Ärger einbringen würde. Und um der Wahrheit die Ehre zu geben: Wenn der René Schmidtkonz nicht zufällig der Enkel von der Frau Schmidtkonz gewesen wäre, dann wäre er sofort aufgestanden und gegangen, Gebühren hin oder her!
    Aber nach und nach taute der Herr Referendar ein bisschen auf und meinte, einen Staranwalt wie den Ehrmanntraut könne und wolle er sich nicht leisten, weil er nämlich selber »Prädikatsjurist« aus dem ersten Staatsexamen sei und somit selbst am besten wisse, wie man sich gegen eine falsche Anschuldigung verteidigt. Der Fickel müsse nichts weiter tun, als sich an seine selbst ausgearbeitete geniale Strategie zu halten. »Das werden Sie ja wohl hinkriegen?«, fragte er mit einem neuerlichen Anflug von Arroganz, und dem Fickel wäre spätestens jetzt sein Schweizer Taschenmesser, das er neuerdings wegen des integrierten Zahnstochers immer bei sich trug, in der Hose aufgegangen, wenn man es ihm am Eingang nicht abgenommen hätte.
    Der René schien sich seiner Sache jedenfalls verdammt sicher zu sein. Denn, so lautete seine Logik, da er die Proberichterin Kminikowski weder vergewaltigt noch ermordet habe, könne es ja »schlechthin« auch keine Beweise für diesen Tatbestand geben, höchstens dünne Indizien, und die würden ja bekanntlich nicht für eine Verurteilung genügen, zumal in einem Rechtsstaat wie dem unsrigen.
    Also, da ist dem Fickel langsam wirklich angst und bange um den Jungen geworden, denn – das hatte sich unter den Rechtsreferendaren vielleicht noch nicht herumgesprochen – ein »Vollbefriedigend« oder gar »Sehr gut« in einer auch noch so schweren Examensklausur garantiert noch lange keinen Freispruch in einem real existierenden Strafprozess. Da kommen eben noch die menschlichen Komponenten zum Tragen, die Tagesform der Richter, gegenseitige Sympathien und Antipathien, das Verhalten des Angeklagten – auf gut Deutsch: Soft Skills .
    Aber der René war dermaßen überzeugt von seinem Standpunkt, dass er überhaupt nicht mit sich hat reden lassen. Und das hatte der Fickel noch nie verstanden, wie einer aus purem Idealismus so vernagelt sein konnte. Überhaupt, dass jemand lieber ein paar Nächte im Untersuchungsgefängnis verbringt, als sich bei einer polizeilichen Reihenuntersuchung kurz ein Wattestäbchen an die Mundschleimhaut zu halten! Aber der René hatte da seine Prinzipien. Ohne richterlichen Beschluss wollte er solch einen »schwerwiegenden Eingriff in seine Grundrechte« einfach nicht dulden. »Dafür würde ich sogar bis vors Bundesverfassungsgericht ziehen«, erklärte er mit finsterer Entschlossenheit.
    Dem Fickel war es im Grunde egal, wohin der René zog, solange er die Aufklärung der Tat nicht unnötig in die Länge zog. Und da inzwischen auch ein richterlicher Beschluss vorlag, in dessen Folge der René endlich erfolgreich seine DNA -Probe losgeworden war, betrachtete der Fickel die Sache jetzt beinahe schon als erledigt. Doch da hatte er die Rechnung ohne seinen Mandanten

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