Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
gar ned verrrpflichtet, gell?«
»Und warum hat er sich dann der polizeilichen Befragung entzogen, wenn er wirklich so ein reines Gewissen hat?«, rief die Oberstaatsanwältin, die sich wieder gefangen hatte.
Der Hager machte ein skeptisches Gesicht und blätterte in der Akte. Es klopfte, kurz darauf betrat der Kriminalrat Recknagel, sich in alle Richtungen entschuldigend, den Raum und reichte der Oberstaatsanwältin einen Umschlag. Der Fickel hatte aber immer noch Munition im Gürtel: »Außerdem gibt es Hinweise, dass die Kollegin Kminikowski von einem Stalker verfolgt wurde. In diese Richtung wurde meines Wissens überhaupt noch nicht ermittelt.«
»Das ist ein Skandal!«, rief der René mit sich überschlagender Stimme dazwischen.
Der Fickel drückte seinen Mandanten mit seiner Pranke auf den Stuhl zurück und wandte sich jetzt direkt an seine Exfrau: »Kann es sein, dass Sie sich ein bisschen früh auf einen Täter festgelegt haben, Frau Oberstaatsanwältin?«
Aber merkwürdig: Ganz gegen ihre Gewohnheit reagierte die Gundelwein auf diese neuerliche Provokation erst gar nicht, sondern studierte den Inhalt des Umschlags, der ihr soeben vom Recknagel überreicht worden war. Dem Hager war nach Fickels letztem Satz ein wenig unwohl zumute geworden.
»Gibt es fürrr den Stalker denn irrrgendwelche Zeugen?«, fragte er.
»Allerdings! Ich habe die Information aus einer äußerst vertrauenswürdigen Quelle«, erklärte der Fickel und blickte den Hager unschuldig an. Der war jetzt natürlich in einer saublöden Situation. Schließlich hatte er selbst dem Fickel den Hinweis gegeben, wofür er sich nachträglich am liebsten in den Allerwertesten gebissen hätte. Etwas unsicher blickte er zur Anklagevertreterin, aber die war immer noch mit dem Inhalt des Umschlags beschäftigt. »Tja dann …«, sagte der Hager unschlüssig und machte einen Vermerk in seiner Akte. »Dem muss dann im Hauptsacheverrrfahrrren nachgegangen werrrden, gell?«
Der Fickel fühlte sich jetzt irgendwo schon fast auf der Siegerstraße. In einem Anflug von Übermotivation führte er aus, dass im vorliegenden Fall schließlich auch gar kein Haftgrund bestehe. Denn da die Richterin Kminikowski ja nun schon mal tot war, konnte man die Wiederholungsgefahr in ihrem Fall guten Gewissens ausschließen. Verdunkelungsgefahr ging vom René genauso wenig aus, und was die Fluchtgefahr anging: Da der Beschuldigte bekanntlich die Ablegung des Zweiten Juristischen Staatsexamens anstrebe, würde er nicht mal im Traum auf die Idee kommen, sich in die Schweiz, auf die Caymans, nach Schmalkalden oder zu anderen exotischen Zielen abzusetzen. Der Fickel war jetzt so richtig schön in Fahrt. Aber als er zur Anklägerseite rüberlinste, da konnte er schon an der Miene seiner Ex ablesen, dass die noch ein Ass im Ärmel hatte. Das war nämlich genau derselbe frohlockende Gesichtsausdruck, mit dem sie ihm eines schrecklichen Tages während ihrer kurzen Ehe erklärt hatte, dass sie den Fernseher abgeschafft habe, und das just am Tag des Champions-League-Finales! Dazu das gleiche unversöhnliche Funkeln in den Augen, das der Fickel zum letzten Mal bei seiner Scheidung gesehen hatte.
Seine Befürchtungen bestätigten sich kurz darauf in verhängnisvollster Weise. Der Umschlag, den die Oberstaatsanwältin vom Kriminalrat bekommen hatte, enthielt nämlich nichts Geringeres als das offizielle Ergebnis der Laboruntersuchungen. Doktor Haselhoff hatte sich extra reingehängt, um bis zum Anhörungstermin die DNA -Probe des Beschuldigten mit den Spermaspuren, die an der Robe des Opfers gefunden worden waren, abzugleichen. Und guck mal einer an: Das Sperma, das bei dem Opfer gefunden worden war, stammte »mit neunundneunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit aus den Keimdrüsen des Beschuldigten René Schmidtkonz«.
Man kann sich das genüssliche Lächeln der Gundelwein vorstellen, mit dem sie dem »geschätzten Kollegen Hager« und dem »hochverehrten Herrn Verteidiger« das schriftliche Ergebnis der Untersuchungen vorlegte, denn in dem Moment war sie so gut wie am Ziel. Der Fickel stand nämlich, als Jurist und Mann bis auf die Knochen blamiert, quasi persönlichkeitsentkernt vor dem Richtertisch und sah einigermaßen hilflos zu seinem Mandanten, in Erwartung irgendeiner Erklärung. Aber der war in dem Moment mindestens genauso konsterniert wie sein Verteidiger.
Die Oberstaatsanwältin wandte sich derweil mit leiser, aber vor Genugtuung zitternder Stimme an den Hager: »Ich muss
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