Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
wohl nicht weiter ausführen, was das bedeutet?« Sie tat es trotzdem: »Da für den Beschuldigten nach menschlichem Ermessen eine Karriere als Jurist bei dem zu erwartenden Urteil nicht mehr realistisch ist, muss angesichts der Höhe des Strafmaßes zwingend von einer erhöhten Fluchtgefahr ausgegangen werden.«
Der Hager blickte jetzt erwartungsvoll zum Fickel und der hilflos zum Recknagel, der entschuldigend mit den Schultern zuckte. Der René Schmidtkonz hockte derweil wie ein Häuflein Elend auf seinem Stuhl und wirkte überhaupt nicht mehr arrogant. Da fiel dem Fickel beim besten Willen nichts Besseres ein, als formlos um eine kurze Unterbrechung für eine Unterredung mit seinem Mandanten zu bitten.
Tja, und dann knöpfte sich der Fickel den René aber mal gründlich vor und machte ihm in aller Deutlichkeit klar, was er persönlich von Mördern und Vergewaltigern hielt, nämlich gar nichts. Folglich hatte er auch nicht die geringste Lust, den René weiter zu verteidigen, um sich am Ende auch noch von seiner Exfrau vorführen zu lassen, weil der eigene Mandant ihm die Hucke volllog! Im Grunde betrachtete der Fickel seine Karriere als Strafverteidiger nach einem Tag als gescheitert und erklärte dem René feierlich, dass er hiermit sein Mandat niederlegte. Basta Canasta!
Aber da geschah etwas ebenso Unvorhergesehenes wie Verstörendes, denn der sonst so selbstbewusste Rechtsreferendar fing plötzlich an zu jammern, dass der Fickel ihm das nicht antun könne, denn wenn ihm jetzt auch noch der Anwalt davonliefe, dann würde das doch wohl wie ein Schuldeingeständnis wirken! Und dann würde er nicht nur für viele, viele Jahre in den Knast wandern, dann könnte er auch die Juristenkarriere ein für alle Male vergessen, genau wie es ihm die Oberstaatsanwältin prophezeit hatte! Merkwürdigerweise schien Letzteres das Allerschlimmste für ihn zu sein, gewissermaßen wie elektrischer Stuhl.
Der Fickel wunderte sich nur, dass sein Mandant offenbar immer noch starrsinnig davon ausging, dass er die Kminikowski nicht erdrosselt hatte. Also fragte er den René rein interessehalber, wie denn bitteschön sein Sperma an die Robe der Richterin Kminikowski gelangt sei, wenn nicht durch eine Vergewaltigung? So viele Möglichkeiten fielen ihm da nämlich nicht ein.
Und wer hätte das gedacht? Jetzt endlich kriegte sein Mandant die Zähne auseinander. Aber ehe er zur Sache kam, hielt er es für nötig, sich zur Einstimmung zunächst lang und breit darüber auslassen, wie er im ersten Examen zehn Punkte erreicht hatte, während seine liebe Freundin Nadin in derselben Klausurenkampagne durchgefallen war. »Sie können sich sicher vorstellen, welchen Belastungen unsere Beziehung ausgesetzt war«, erklärte er mit dramatischem Gesicht. Natürlich konnte der Fickel sich das noch viel besser vorstellen, als dieser Bengel dachte, nicht jedoch, was das jetzt mit dem Fall zu tun haben sollte.
»Ich hab ihr vorgeschlagen, dass sie mit mir nach Meiningen kommt und ein Praktikum im Landratsamt anfängt, um wenigstens die Zeit bis zur Wiederholungsprüfung sinnvoll zu nutzen. Es schadet schließlich nie, ein bisschen in die Verwaltung reinzuschnuppern.«
Letzteres war dem Fickel allerdings neu. Er hatte in seiner Jugend auch hier und da seine Nase reingesteckt, aber ganz sicher nicht in die Verwaltung. Nicht zum ersten Mal fühlte er sich angesichts der nachwachsenden Generation befremdet. Was waren das für junge Leute, die ihr Leben nach Punkten und Tabellen oder dem Nützlichkeitswert eines Praktikums durchplanten?
»Wie ist es Ihnen denn bei der Richterin Kminikowski ergangen?«, erkundigte sich der Fickel, um den Bericht etwas abzukürzen.
Der René schüttelte bei der Erinnerung leicht den Kopf und beugte sich ein wenig vor. »So was war mir noch nie passiert: Ich konnte abliefern, was ich wollte, ich hab immer nur zwei oder drei Punkte bekommen. Mangelhaft!« Und als der Fickel nicht reagierte, erklärte der René mit wachsender Empörung: »Verstehen Sie? Damit hätte ich einpacken können! Richterlaufbahn, Topkanzleien – die Personaler gucken sich doch auch die Stationsnoten an.«
Der Fickel nahm dies unbeeindruckt zur Kenntnis und fragte, wie sich René seinen abrupten Leistungsabfall erklären könne. Der reagierte sofort wieder sehr heftig: »Mann, sind Sie schwer von Begriff? Das war doch alles reine Schikane von Sylvia! – Ich meine, von meiner Ausbilderin«, verbesserte er sich.
»Warum haben Sie sich denn nicht
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