Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
…«
Der Landrat klang ziemlich erstaunt: »Dieser picklige Typ? Schmidt?«
»Schmidtkonz, jawohl. Er sitzt in Untermaßfeld in Untersuchungshaft. Ich wollte es Ihnen nur sagen, bevor es morgen in jeder Zeitung steht.« Sie lauschte gespannt. »Hallo? Sind Sie noch da?«
Endlich wieder die Stimme des Landrats: »Danke für die gute Nachricht!«
»Ich hab nur meinen Job erledigt«, flötete die Gundelwein bescheiden. Sie hatte jetzt eindeutig Oberwasser. »Warum laden Sie mich nicht auf ein Glas Sekt ein? Ich sitze hier gerade so gemütlich im Ernestiner Hof …«
Die Antwort ließ lange auf sich warten, zu lange.
»Ich glaube, das wäre wohl nicht angemessen. Meine Frau liegt noch nicht mal unter der Erde.« Die Gundelwein erschrak heftig vor der Distanz in seiner Stimme und ruderte zurück.
»Nein, natürlich … Das war nur ein Scherz. Ich meinte, später … irgendwann. Wenn …«
»Ich melde mich bei Ihnen. Wiederhören!«
Nur wegen dieses kurzen Telefonats wurde die Oberstaatsanwältin trotz ihres juristischen Triumphs über ihren unfähigen Exmann am Freitagnachmittag doch noch im Schwimmbad gesichtet, wo sie beinahe bis zur totalen Erschöpfung eine Bahn nach der anderen abspulte. Und dabei hämmerten ihr die Worte des Landrats im Kopf: »Nicht angemessen.« Sie schlug peitschend ins Wasser und zog sich mit aller Kraft nach vorn. »Männer!«
Der Fickel hingegen hatte nach dem Haftprüfungstermin mit dem Oberwachtmeister Rainer Kummer noch einen Abstecher hinauf zur Goetzhöhle unternommen und aus reinem Frust Höhlen-Michas berühmtes Bauernfrühstück in sich reingeschaufelt. Und weil er nicht die geringste Lust verspürte, danach gleich nach Hause zu gehen, nur weil der Rainer Kummer von seiner Claudia zu Hause erwartet wurde, rang er sich aus purer Langeweile durch, zum ersten Mal in seinem Leben den Meininger Juristenstammtisch zu besuchen, der jeden letzten Freitag im Monat im »Schlupfwinkel« tagte, einer Szenekneipe direkt am Bleichgraben mit intellektuellem Touch, jedenfalls für Meininger Verhältnisse.
Der Fickel war da natürlich so was wie der Star des Abends. Der Amthor wäre vor Neid fast nicht mehr geworden, dass sein alter Kollege und Widersacher jetzt in einem richtigen Mordprozess mitwirken durfte. Beim Amthor äußerte sich Neid allerdings in vermehrtem Tabakkonsum, und an diesem Abend zog er in drei Stunden eine komplette Schachtel Gitanes durch, weil die Marke KARO an der Tankstelle mal wieder ausverkauft gewesen war. Nur wegen dem Amthor findet der Juristenstammtisch grundsätzlich im Raucherzimmer statt.
Insgesamt waren vielleicht zwei Dutzend Juristen aus verschiedenen Gerichtszügen und Berufszweigen anwesend. Auch wenn der Fickel die meisten Kollegen nicht persönlich kannte, konnte er sie wegen ihrer blauen Hemden und Blusen sofort identifizieren. Das Gros der Pendler hatte sich schon im Laufe des Mittags über die Rhön ins Hessische oder über die neue Autobahn Richtung Franken verabschiedet, obwohl ja bei Gericht wegen des Brückentages sowieso nicht mehr so viel los gewesen war. Und so waren die Alteingesessenen weitgehend unter sich.
Die Angehörigen der Staatsanwaltschaft gingen derartigen Geselligkeiten traditionell aus dem Weg, schließlich hatten die Ermittlungsbehörden ihre eigenen Stammtische, bei denen es noch um vieles geselliger zuging, wie man hörte. Aber der Korpsgeist der Staatsdiener verhinderte, dass schlüpfrige Interna aus diesen Veranstaltungen nach außen drangen.
Außer den üblichen Verdächtigen, ein paar ebenso jungen wie ehrgeizigen Anwälten, die stets fleißig networkten, waren auch Vertreter sämtlicher Meininger Gerichte zum Stammtisch erschienen. Das Amtsgericht wurde dabei unter anderem von seiner noch immer amtierenden Direktorin Driesel vertreten. Womöglich war ihr am Freitagabend in ihrem Blockhaus die Holzdecke auf den Kopf gefallen.
Natürlich wurde überwiegend Schlosspils oder Köstritzer Schwarzbier getrunken, die Frauen sprachen eher der Weinschorle zu, wobei die Driesel anmerkte, dass der burgenländische Grüne Veltliner gehobenen Ansprüchen nicht wirklich genügte. Die Driesel nahm dies zum Anlass, ihre Winzerpläne zu thematisieren, was von den meisten Anwesenden eher milde belächelt wurde. Nur der Amthor war Feuer und Flamme und ließ sich alles haarklein erzählen. Vielleicht hatte er noch nicht mitbekommen, dass die Amtsgerichtsdirektorin in Kürze pensioniert wurde, oder er schleimte einfach aus
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