Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
verweinte Augen. »Renés Oma hat mich reingelassen. Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt?«, fragte sie zaghaft.
Der Fickel verneinte wahrheitsgemäß, denn das hätte vorausgesetzt, dass er sich bereits wach fühlte, was keineswegs den Tatsachen entsprach.
Während die Nadin sich wie zu Hause benahm und den Kaffee zubereitete, versuchte der Fickel, sich notdürftig herzurichten, die Haare zu bändigen oder doch zumindest die Brusthaare, die durch die kleinen Schlitze der Pyjamajacke wucherten. Schließlich war es schon ein Weilchen her, dass er sich mit einer hübschen jungen Frau in einer ähnlich delikaten Situation befunden hatte, im Grunde halbnackt.
Wenn man bedenkt, dass der Fickel kürzlich beinahe väterliche Gefühle für den René entwickelt hatte, hätte er jetzt eigentlich auch auf den Gedanken kommen müssen, dass die Nadin dann ja gewissermaßen seine Schwiegertochter sein könnte. Aber die Idee wollte ihm merkwürdigerweise angesichts einer adretten Erscheinung wie der Nadin einfach nicht einfallen, Midlifecrisis hin oder her.
Die Nadin wollte natürlich vor allem wissen, warum der René immer noch in Untersuchungshaft saß, wo er doch unschuldig war, wovon sie fest ausging. Der Fickel zögerte kurz mit seiner Antwort, fand aber keinen triftigen Grund, mit der Wahrheit hinterm Berg zu halten, und setzte ihr mehr oder weniger schonungslos auseinander, dass »gewisse Spuren« an der Leiche darauf hindeuteten, dass der René und das Opfer intimen Kontakt miteinander gehabt hatten.
Nadin sah ihn mit fassungsloser Miene an. »Heißt das … er hat sie wirklich vergewaltigt?«
Der Fickel zuckte die Achseln und deutete die Möglichkeit an, dass es auch zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr zwischen dem René und seiner Ausbilderin gekommen sein könnte. Zu seinem Erstaunen schien die Nadin von der Vorstellung, ihr Freund oder Exfreund habe ein Verhältnis mit seiner Ausbilderin gehabt, nicht sehr überrascht.
»Ich wusste gar nicht, dass René auf so alte Frauen steht«, erklärte sie lediglich.
»Sie war nicht mal vierzig!«, protestierte der angehende Mittvierziger Fickel und schlürfte vorsichtig einen Schluck von dem noch sehr heißen Kaffee. Er hatte da so einen speziellen Aberglauben, und der besagte, je stärker der Kaffee, desto stärker der Charakter. Beim Kaffee seiner Exfrau hatte man immer den Boden der Tasse sehen können. Sie war eigentlich Teetrinkerin. Aber falls an dem Aberglauben etwas dran war, dann war die Nadin eine äußerst charaktervolle Persönlichkeit.
»Und warum hat er das nicht gleich gesagt?«, fragte die Nadin jetzt folgerichtig. Irgendwo war sie schließlich auch Juristin, wenn auch bislang ohne Fortune. Also sah der Fickel sich nun genötigt, der jungen Frau zu erklären, dass sein Mandant gewissermaßen aus Zuneigung zu ihr geschwiegen habe, weil er hoffte, sich mit ihr wieder zu versöhnen.
»Das ist doch alles total bescheuert!«, kommentierte Nadin. Aber sie wirkte mit einem Mal sehr nachdenklich.
»Männer tun total bescheuerte Dinge, vor allem junge Männer«, antwortete Fickel salomonisch, während der Kaffee seinen Magen erreichte, der sich sofort schmerzhaft zusammenkrampfte. »Und ganz besonders junge Männer in labilen Beziehungen.«
Nadin funkelte den Fickel mit ihren grünlichen Augen böse an. »Soll das etwa heißen, ich bin schuld, dass René jetzt in Untersuchungshaft sitzt?«
Der Fickel erwiderte, so habe er das nun auch nicht gesagt, und rührte ein halbes Kännchen Kaffeesahne und zwei Löffel Zucker in die pechschwarze Brühe. Es trat eine längere Gesprächspause ein. Nadin saß mit gekräuselter Stirn da und dachte offenbar angestrengt nach. Der Fickel hielt die Gelegenheit für günstig, einen Testballon steigen zu lassen.
»Wären Sie unter Umständen bereit, Ihrem Freund – oder Exfreund – zu helfen?«, fragte er.
Nadin blickte ihn abwartend an. »Und wie sollte ich das machen?«
»Mal angenommen, Sie und René hätten zusammen einen romantischen Abend verlebt …«, kam ihr der Fickel entgegen.
Nadin sah ihn erschrocken an und fragte, ob der Fickel tatsächlich von ihr verlange, einen Meineid zu leisten. So wollte sich der Fickel nun auch nicht verstanden wissen, aber eine kleine Notlüge habe ja noch nie geschadet. Doch die Nadin wollte von derartigen Wortklaubereien nichts wissen. Wie sich herausstellte, war sie zur Tatzeit ganz woanders gewesen und hegte die Befürchtung, mit der Unwahrheit vor Gericht aufzufliegen.
»Ich
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