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Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Henner Hess
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es gab keine Notwendigkeit, mit dem Haselhoff zu diskutieren. Heutzutage spielte sich ja fast jeder als Kriminalkommissar auf, der schon mal CSI im Fernsehen gesehen hatte. Vor allem die Rechtsmediziner hatten in letzter Zeit mächtig Auftrieb bekommen. Und gerade diejenigen, die am lautesten schrien, wie realitätsfremd ihr Beruf im Fernsehen dargestellt werde, wollten plötzlich bei Dingen mitreden, die sie nichts angingen.
    »Christian!«, rief der Recknagel. Der junge Kollege, der an der Leiche kniete, drehte sich um und stellte leicht beleidigt klar, dass er Christoph sei. Christian habe heute schließlich Urlaub. Der Kriminalrat hatte zeit seines Lebens immer über ein gutes Personengedächtnis verfügt, aber beim Polizeinachwuchs war er sich in letzter Zeit nicht mehr so sicher, ob es sich tatsächlich noch um »Personen« handelte oder um geklonte Karrieristen. Christoph folgte dem Kriminalrat, der ihn ein paar Schritte vom Tatort weglotste, gelangweilt ins Unterholz, wo die KTU nicht mehr nach Spuren suchte. Nach Recknagels Analyse musste der Täter dem Opfer hier aufgelauert haben, bevor er es in die Büsche gezogen und sich an ihm vergangen hatte. Vielleicht dort, hinter dem dicken Baumstamm! Trotz seines Alters verfügte Recknagel noch über recht gute Augen. Aber noch besser als seine Augen war sein Näschen.
    »Riechen Sie das auch?«, fragte er seinen Kollegen.
    Der glotzte nur blöd, aber das Heben seiner Nasenflügel zeigte immerhin an, dass sein Riechorgan arbeitete. Insgeheim verortete Recknagel das Problem seines Kollegen etwas höher.
    Der Kriminalrat scherte sich nicht weiter um seinen Begleiter und suchte den Stamm des Baumes ab, kratzte sogar an der Rinde. Da – etwas Weiches, Klebriges! Irgendjemand hatte einen außergewöhnlich großen Kaugummi gegen einen Ast gedrückt. Das Waldmeisteraroma war noch frisch, die Kaugummimasse wirkte elastisch. Recknagel versenkte das mögliche Beweisstück in einer Asservatentüte und ließ Christoph, der die Situation anscheinend noch verarbeiten musste, am Baum stehen.
    Kriminaltechniker Haselhoff betrachtete den Fund in der Tüte skeptisch. »Glauben Sie etwa, dass ein Kind bei der Tat dabei war?«
    Recknagel überhörte die Ironie des Arztes geflissentlich.
    Der Landrat stand indes starr vor der Leiche seiner Frau. »Können Sie das vielleicht zudecken?«, fragte er den Recknagel mit befehlendem Unterton und blickte unwohl auf den beschmutzten verlängerten Rücken seiner Frau, die nackten Schenkel und dann rüber zu den Kollegen von der KTU und den Uniformierten, die das Gebiet absperrten.
    »Bedauere, so lange nicht alle Spuren gesichert sind …«
    Da hat man’s wieder: Bei Polizeiruf und Co. wird die Leiche meist gleich als Erstes weggeschafft, nach dem Motto: Was wir weghaben, haben wir weg. Dabei ergibt sich oft gerade aus der genauen Position des Opfers und den kleinen Dingen, die einem erst im Laufe der Zeit auffallen, ein wichtiger Hinweis auf den Täter, zum Beispiel über seine Vorlieben, seine Triebe, den Grad seiner Grausamkeit. In der Realität läuft es eben doch ein bisschen anders als sonntagabends im Ersten. Nicht dass Kriminalrat Recknagel es in seiner Laufbahn schon allzu oft mit Mord zu tun gehabt hatte, aber eine fahrlässige Tötung hier oder eine Körperverletzung mit Todesfolge da … Man machte so seine Erfahrungen.
    Der Landrat schüttelte verständnislos den Kopf und fingerte ein Stofftaschentuch aus seinem Jackett, tupfte sich kurz die feuchten Augen ab und legte es vorsichtig über die entblößten Hüften seiner Frau.
    »Ich hab doch gesagt, nichts berühren!«, rief der Recknagel sauer.
    Hinter Recknagels Rücken tauchte plötzlich die Oberstaatsanwältin aus der Dunkelheit auf: jung, schneidig, intelligent und groß, sehr groß sogar – bestimmt eins neunzig, grob geschätzt. »Haben Sie denn gar kein Pietätsgefühl, Herr Kriminalrat?« So wie die Oberstaatsanwältin gekleidet war, kam sie offensichtlich geradewegs aus dem Theater. Ihre roten Haare hatte sie in der Art einer Rokokoperücke frisiert. Sie beachtete den Kriminalrat nicht weiter, sondern trat direkt zum Landrat und drückte ihm mitfühlend die Hand: »Oberstaatsanwältin Gundelwein. Ich kannte Ihre Frau sehr gut und … Ich verspreche Ihnen, wir werden den Täter schnellstmöglich ausfindig machen.«
    Der Landrat nickte abwesend. »Sie haben mein vollstes Vertrauen«, murmelte er. Damit wandte er sich um und verschwand mit eiligen Schritten in die

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