Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
Exfrau war natürlich ein Schlag unter die Gürtellinie. Wenn der Fickel nur nicht diese angeborene Schwäche für Rothaarige hätte! Dann wäre ihm vieles in seinem Leben erspart geblieben. Denn man muss wissen: Nur zwei Prozent der deutschen Frauen verfügen über natürlich rote Haare, was die Auswahl von vornherein natürlich enorm einschränkt, zumal in einer Kleinstadt wie Meiningen. Wenn einem da die Haare so wichtig sind, dann macht man leicht woanders Kompromisse, zum Beispiel beim Charakter.
Der Fickel setzte das Glas ab und verzog leicht das Gesicht. Natürlich hatte er vorhin übertrieben. Der dünne Spätburgunder schmeckte eher wie dieser vergorene Rhabarbersüßmost, der früher im Konsum [ 3 ] in verklebten grünen Flaschen verkauft worden war beziehungsweise meistens vergeblich darauf gewartet hatte, verkauft zu werden. Aber der Fickel war auf dem Gebiet eh kein Experte und unterschied Wein im Grunde nur in Weißen und Roten sowie bei letzterem nochmals in Kadarka und »kein Kadarka«. Immerhin: Um die Gedanken an seine Ex zu verscheuchen, dafür langte der Fusel allemal.
Während der Fickel und die Driesel im Sächsischen Hof das Buffet plünderten und über dies und das räsonierten, versuchte Kriminalrat Recknagel, wenige Meter entfernt am Tatort, den Überblick über das Geschehen zu behalten, was angesichts der großen Zahl anwesender Juristen hinter den Absperrungen gar nicht so einfach war. Der Fundort der Leiche lag direkt hinter dem Brahms-Denkmal, das, wie jedes Kind in Meiningen weiß, schon zwei Jahre nach dem Tod des Komponisten 1899 eingeweiht worden war und somit das älteste seiner Art in ganz Deutschland darstellt. Hier hatten sich die Meininger mal wieder als Vorreiter erwiesen, wie im übrigen auch bei dem Ruinenensemble unten am Rande des Ententeichs, das einst vom visionären Herzog Georg II zur Bekämpfung der damals schon grassierenden Arbeitslosigkeit in Auftrag gegeben worden war und jetzt die düstere Kulisse für das sich abzeichnende Familiendrama bildete.
Landrat Kminikowski stand mit rotem Kopf hinter der Absperrung und drohte gestikulierend, seinen Anwalt einzuschalten, um zu seiner Frau vorgelassen zu werden. Doch ein Beamter erklärte ihm ebenso stoisch wie zutreffend, dass es kein Gesetz gebe, das Angehörigen des Opfers freien Zutritt zum Tatort gewährt.
Der Recknagel freute sich insgeheim über die Moral seiner Leute, sich nicht gleich vom erstbesten hohen Tier einschüchtern zu lassen. Andererseits wollte es sich der Kriminalrat ein paar Jahre vor der Rente auch nicht aus Jux und Dollerei mit einem der mächtigsten Männer der Stadt verderben, und deshalb versprach er dem Kminikowski schließlich persönlich, ihn nach der Sicherung aller Spuren gleich hinter die Absperrung zu lassen, und zwar unter dem offiziellen Vorwand, das Opfer zu identifizieren. Pflichtgemäß hatten die Beamten in der Tasche des Opfers bereits den Personalausweis sichergestellt, und es bestanden nicht die geringsten Zweifel, dass es sich bei der Toten tatsächlich um die Richterin Kminikowski, Frau des Landrats und designierte Amtsgerichtsdirektorin, handelte.
Die Beamten der KTU , die in ihren weißen Anzügen in der Dunkelheit wirkten wie Gespenster, waren gerade dabei, Spuren zu sichern, und daher war die Leiche noch genau in dem Zustand, in dem sie aufgefunden worden war. Sie lag nahezu unbekleidet bäuchlings zwischen den Büschen vor dem steinernen Rondell, aus dessen Mitte der unsterbliche Komponist armlos und scheinbar bekümmert über seine eigene Hilflosigkeit auf die sterblichen Überreste der noch recht jungen Frau vor seinem Denkmal blickte. Der Kopf der Kminikowski war seitlich in die frühlingshaft feuchte Erde gedrückt. Ihre Finger umklammerten noch immer die Robe, mit der sie anscheinend erwürgt oder erstickt worden war. Im grellen Licht der Scheinwerfer bot die Leiche einen trostlosen, fast obszönen Anblick, keineswegs so ästhetisch wie im Kino. Zumal Blase und Darm des Opfers in der ihnen eigenen Weise auf das Drosseln reagiert hatten.
Recknagel schaute den Facharzt für Rechtsmedizin Doktor Haselhoff, der sich an der Leiche zu schaffen machte, fragend an.
»Tatzeit circa halb neun«, murmelte Haselhoff. »Vielleicht dreiviertel. Keinesfalls später. Und: Wir haben DNA an der Robe gefunden.«
»Sperma?«
Haselhoff nickte. »Vorzeitige Ejakulation. Spricht alles für einen äußerst triebgesteuerten Täter.«
Recknagel war sich da nicht ganz so sicher. Aber
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