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Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Henner Hess
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Nacht.
    Die Gundelwein sah ihm nachdenklich hinterher, dann trat sie zum Recknagel, baute sich vor ihm auf und donnerte von oben auf ihn herab: »Bericht?!«
    Wenn der Recknagel eins hasste, dann Staatsanwälte, die sich in die Arbeit der Polizei einmischten. Das galt ausdrücklich auch für Staatsanwält innen .
    »Am Tatort bin ich zuständig. Sie bekommen Ihren Bericht, sobald es auch etwas zu berichten gibt«, erklärte er ruhig.
    Für zwei, drei Sekunden hatte der Recknagel den Eindruck, die Frau des Landrats könnte möglicherweise nicht die letzte Leiche des Abends gewesen sein. Aber dann hatte die Gundelwein ihre Gesichtszüge wieder unter Kontrolle.
    »Sie wissen doch: Die Staatsanwaltschaft ist die Herrin des Ermittlungsverfahrens.«
    Der Recknagel hörte diesen Satz weiß Gott nicht zum ersten Mal, und wie immer, wenn er diese Formulierung hörte, kam er sich wie der Dackel der Staatsanwaltschaft vor. Nein, der Kriminalrat mochte solche Einteilungen nicht: Dort Herrinnenmensch, hier Dackelmensch. Er kannte sich juristisch zwar nicht besonders gut aus, aber so viel wusste er immerhin doch: »Um ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen, brauchen wir einen Verdächtigen. Und um einen Verdächtigen zu bekommen, müssen wir hier am Tatort zunächst mal in Ruhe unsere Arbeit machen dürfen!«
    Zwar stand der Recknagel kurz vor der Rente, und sein Herz machte in letzter Zeit Dinge, die man, ohne Panik zu verbreiten, als beunruhigend bezeichnen konnte. Aber deshalb würde er nicht so weit gehen, seine Berufsehre für den Ehrgeiz junger Juristinnen zu opfern, die vom wirklichen Leben keine Ahnung hatten.
    »Sie wissen so gut wie ich, dass die Akte früher oder später auf meinem Schreibtisch landet«, zischte die Oberstaatsanwältin.
    »Sie sagen es«, antwortete der Recknagel seelenruhig. »Später!«
    Die Oberstaatsanwältin blickte ihn überrascht an. Widerspruch, zumal von einem Polizeibeamten, war sie nicht gewohnt. Sie nahm all ihre Geduld zusammen.
    »Also, wie wollen Sie weiter vorgehen?«
    Der Kriminalrat hob die Schultern. War das hier etwa eine Prüfung?
    »Erst mal müssen wir das Motiv für die Tat abklären.«
    Die Oberstaatsanwältin lachte verächtlich auf.
    »Das Motiv? Was ist los mit Ihnen? Sind Sie blind?« Sie wies anklagend auf die in eindeutiger Position erstarrte Leiche. »Es dürfte wohl nicht der geringste Zweifel bestehen, dass es sich hier um einen Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs handelt.«
    Der Recknagel widersprach nicht. Als Theoretiker hätte er den Satz der Oberstaatsanwältin ohne Zögern unterschrieben, aber als Praktiker hatte er seine Zweifel. Welcher Vergewaltiger suchte sich ein Opfer im Englischen Garten, zwischen Theater und Bahnhof, wo er jederzeit gestört werden konnte? Nach seiner Berufserfahrung bevorzugten Triebtäter abgelegene Gebiete oder verlassene Parkplätze. Manchmal entführten sie ihre Opfer sogar an vermeintlich ruhige Orte, um sich dort an ihnen zu vergehen. Aber hier waren sie mitten in der Stadt, die Lichter zweier viel befahrener Straßen leuchteten herüber, und es gab keinen Fluchtweg, der nicht leicht abgeriegelt werden konnte. Außerdem war der Boden an der Stelle hart und kühl, das Gebüsch bot nicht viel Deckung. Wenn der Recknagel jemanden hätte vergewaltigen wollen, dann hätte er sich ganz sicher einen anderen Ort dafür ausgesucht. Aber das sagte er der Oberstaatsanwältin lieber nicht. Denn die war auch so schon auf hundertachtzig.
    »Ich erwarte, dass sie die aufgefundenen DNA -Spuren als Erstes mit der Sexualtäterdatei abgleichen«, donnerte sie.
    »Bereits in die Wege geleitet.«
    »Zur Sicherheit machen Sie trotzdem einen Aufruf zur freiwilligen DNA -Abgabe. Am besten gleich morgen. Haben Sie mich verstanden?«
    Der Kriminalrat wagte es wegen seines Herzens nicht, der Gundelwein nochmals zu widersprechen. Aber skeptisch nachzufragen war das Mindeste, das er seiner Polizistenehre schuldig war. »An welchen Personenkreis haben Sie gedacht?«
    »Meininger.«
    Kriminalrat Recknagel sah die »Herrin des Ermittlungsverfahrens« ungläubig an.
    »Alle?«
    »Nein«, antwortete die Oberstaatsanwältin schnippisch. »Nur die Männer.«
    Damit drehte sie sich um und überließ den Tatort wieder den niederen Ermittlungsbehörden. »So eine große Frau in so einem kleinen Kleid«, bemerkte Christoph grinsend, als sie außer Hörweite war. Der Recknagel bückte sich und griff mit seiner durch einen Gummihandschuh geschützten Rechten das

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