Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
um Ihre Aufmerksamkeit bitten?«, rief der Landrat. Langsam trat Ruhe ein. »Dies ist das Body-Workout-Team unseres Partnerfitnessstudios in Suhl. Bevor wir uns an die Arbeit machen, zeigen uns die Mädchen ein paar Entspannungsübungen. Sie können gerne mitmachen!«
Die jungen Mädchen verteilten sich im Raum. Die Männer lachten anzüglich, einige zogen ihre Jacketts aus. Was die Kalauer anging, konnten die Anzugträger locker mit jeder Maurerbrigade mithalten. Und der Landrat setzte noch einen drauf: »Übrigens, wer eine Massage braucht: Gegen Abend erwarten wir noch ein paar Physios. Man hat mir versichert, dass die Mädels mit jeder Art von Verspannung fertigwerden!« Jetzt kannte die Heiterkeit natürlich keine Grenzen mehr. Von irgendwoher setzte Musik ein. Ehe die Oberstaatsanwältin sich fragen konnte, wo sie hier gelandet war, begannen die Mädchen herumzuspringen. Eine gab das Kommando: »Und eins, und zwei, und eins …«
Die Brüste hüpften im Takt, und die Gäste klatschten begeistert. Einige machten sogar mit. »Und nach vorn!« Die Mädchen beugten sich blitzartig vor, sehr zur Freude der anwesenden Männer. Die Oberstaatsanwältin hätte am liebsten den kompletten Saal vom SEK räumen lassen. Stattdessen trug sie sich in die Arbeitsgruppe »Standortfaktor Meininger Theater« ein. Wenn man sich unter Wölfe begab, dann musste man mitheulen. Und zum Heulen war ihr beim Anblick des leicht gekleideten Body-Workout-Teams wahrlich zumute.
Als der Fickel der Frau Schmidtkonz von den Schnupperwochen in der Thüringer-Wald-Residenz berichtete, die er für sie gebucht hatte, wäre sie am liebsten sofort aufgebrochen. Aber beim Fickel hatten sich in der Zwischenzeit seine ethischen Bedenken zurückgemeldet, und er meinte, er finde bestimmt auch eine andere Möglichkeit, den René zu verteidigen. Aber mit einer zu allem entschlossenen Großmutter ist nicht gut diskutieren, wenn es um das Wohl ihres einzigen Enkels geht.
Ein bisschen blass um die Nasenspitze war die alte Dame trotzdem, als sie später mit ihren paar Habseligkeiten in den beigebraunen Wartburg einstieg, um die Reise ins Seniorenheim anzutreten. Während der Fahrt trichterte der Fickel seiner Vermieterin noch ein paar Verhaltensregeln ein, vor allem, sich nicht unnötig in Gefahr zu begeben und sich unter gar keinen Umständen das Handy abknöpfen zu lassen. Zur Sicherheit hatte der Fickel ihr auch die Nummer vom Recknagel eingespeichert, man konnte schließlich nie wissen!
Aber die Frau Schmidtkonz hörte Fickels Ratschlägen kaum zu. Wortlos hockte sie auf dem Beifahrersitz und starrte wehmütig in den Wald, der sie von nun an von ihrem gewohnten Umfeld trennen sollte: dem Fleischer Kornhaß mit der guten Barchfelder Wurst, der Friseurmeisterin Sandra, die ihr zweimal im Monat die Dauerwelle erneuerte und ihr dabei immer herzerweichend von ihrem untreuen Freund vorjammerte, und vor allem dem Café Baumbach, wo sich das Kränzchen jeden Samstagnachmittag zum Teetrinken und Kartenspielen traf – selbstverständlich nur um Mini-Einsätze. Alles in allem ein sehr lebenswertes Dasein, das sie jetzt gegen das Heim eintauschte.
Bei der Anmeldung in der Thüringer-Wald-Residenz stand der Fickel wiederum vor verschlossenen Türen. Heike Dietz, geschiedene Exner, hatte offenbar Wichtigeres zu tun, als bei dem schönen Wetter in ihrem Büro zu sitzen. Ohne dass der Fickel jetzt direkt was unterstellen wollte, kombinierte er, dass der Exner seine Ex vielleicht irgendwo auch nur pro forma als Leiterin der Residenz eingesetzt hatte, um Betreuungsverein und Pflegeheim nach außen voneinander abzutrennen, und realiter saß die Heike womöglich zu Hause auf dem Sofa, guckte Telenovelas, bügelte Hemden und stellte dem Exner pünktlich um halb zwölf sein Mittagessen auf den Tisch. Wenn es Scheinehen gab, warum nicht auch Scheinscheidungen? Von der Entwicklung her wäre das nur konsequent gewesen.
Der Fickel hatte da jedenfalls schon wieder so ein merkwürdiges Bauchgefühl: Nur mal angenommen, die Kminikowski hätte herausgefunden, dass mit dem Betreuungs- und Pflegeheimmodell der Exners irgendwas nicht ganz koscher war, dann hätte sie nicht nur Mordsärger mit dem Exner riskiert, sondern auch mit ihrem eigenen Ehemann, dem Schirmherrn von »Nachbarn in Meiningen« e. V. und Inhaber der Schuhgröße zweiundvierzigeinhalb.
Der Fickel suchte fast die halbe Thüringer-Wald-Residenz ab, um jemanden zu finden, der sich in dem Laden verantwortlich für ihn
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