Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
Faust »Hasta la victoria siempre!« rief, abends am Malecón saß, Cohibas rauchte und Mojitos in sich reinschüttete. Wenn man bedachte, wie braun gebrannt der Exner schon im Frühsommer war, konnte man sich direkt vorstellen, dass sie dort auch nicht immer allein saß. Unter den Umständen wäre es in der Tat kein Wunder gewesen, dass der Exner immer noch seinen Ehering am Finger trug.
Weil die Frau Schmidtkonz aufgrund der langen Warterei ein wenig zermürbt war, drängte sie nun vorsichtig darauf, endlich ihr Einzelzimmer zu beziehen, das erfreulicherweise nicht nur sauber, sondern sogar hell und großzügig wirkte. Neben dem üblichen Komfort war sogar ein Flatscreen-Fernseher vorhanden. Aber das alles war noch gar nichts gegen den herrlichen Ausblick über das Tal, der erst durch das geöffnete Fenster richtig zur Geltung kam, weil die Scheiben in spätsozialistischem Orange getönt waren.
Bei der wunderbaren Fernsicht taute die Frau Schmidtkonz spürbar auf und nahm ihr neues Domizil langsam in Besitz. »Sie werden sich bestimmt gut bei uns einleben«, meinte die Ramona Dietz mit freundlicher Stimme und drückte erst der Frau Schmidtkonz, dann auch noch dem Fickel aufmunternd die Hand. Doch kaum, dass die Ramona draußen war, erklärte die Schmidtkonz: »Ich hasse diese Schreckschraube jetzt schon!«
Als der Fickel sich eine halbe Stunde später von seiner Vermieterin verabschiedete, glänzte es trotz aller großmütterlichen Tapferkeit feucht in ihren Augen. Und das war natürlich das Letzte, was der Fickel erleben wollte: Tränen in den Augen seiner Vermieterin! Deshalb nahm er sich fest vor, sie so schnell wie möglich wieder aus diesem Heim rauszuholen. Als kleinen Trost ließ er ihr ein Fläschchen Rhöntropfen da und versprach hoch und heilig, gleich am nächsten Tag zu Besuch zu kommen. Doch als er zwei Minuten später aus der Residenz an die frische Luft trat, spürte der Fickel gleich eine gewisse Erleichterung in sich aufsteigen. Denn irgendwo wirkte dieses Seniorenheim mitten im Wald beklemmend auf ihn, wie überhaupt Anstalten mit organisiertem Tagesablauf, geregelten Mahlzeiten, gemeinschaftlicher Freizeitgestaltung und so weiter nie sein Ding gewesen waren. Vielleicht hatte das ja etwas mit seiner Zeit bei den Jungen Pionieren zu tun oder auch nur mit dem alljährlich wiederkehrenden Urlaub mit seinen Eltern auf Rügen oder Usedom in kaninchenstallartigen FDGB -Heim-Zimmern, Tür an Tür mit anderen Werktätigenfamilien. Jedenfalls – wenn der Fickel die Worte »gelebte Solidarität« nur hört, dann geht ihm schon das Messer in der Hose auf.
Als der Fickel gerade in seinen beigebraunen Wartburg steigen wollte, klopfte ihm jemand auf die Schulter, und als er sich umdrehte, standen da bestens gelaunt Elvis Presley und Johnny Cash, jene beiden Senioren, mit denen Fickel kürzlich eine kleine Spritztour unternommen hatte. Die »Jungs« sahen ihn erwartungsfroh an. »Na, Lust auf eine kleine Spritztour?«
Und weil der Fickel nicht nur ein Kumpel ist, sondern auch einen Sprachfehler hat und nicht Nein sagen kann, drehte er mit den beiden tatsächlich noch eine kleine Ehrenrunde.
»Eigentlich ist es ja verboten, das Gelände zu verlassen«, erklärte Elvis, als der Fickel gerade den zweiten Gang reinwürgte. Natürlich wollte der Fickel bei der Gelegenheit wissen, ob es dafür einen besonderen Grund gab.
»Steht in der Hausordnung!«, erklärte Johnny Cash.
»Sonst würden sich ja ständig Leute im Wald verirren«, fügte Elvis hinzu.
Überhaupt schienen die beiden mit den Zuständen in der Residenz alles andere als unzufrieden zu sein. Dass einige der Pflegekräfte nicht mal richtig Deutsch sprachen, schien sie auf Nachfrage nicht im Geringsten zu stören.
»Die Polinnen sind viel netter als unsere Mädels«, meinte Elvis, und Johnny Cash brummte zustimmend.
Da war der Fickel doch einigermaßen erstaunt, dass ausgerechnet die Pflegekräfte aus der Region so ein schlechtes Image bei den Senioren hatten. Dabei war der Exner noch so stolz darauf gewesen, Thüringerinnen zu beschäftigen! Da konnte man mal wieder sehen, wie himmelweit das Management von den Bedürfnissen der Kundschaft entfernt war.
Schließlich fragte der Fickel vorsichtig, an das Tabuthema rührend, ob einer der Senioren schon mal im dritten Stock gewesen sei. Doch in dem Punkt waren die beiden kaum gesprächiger als beim letzten Mal.
»Da sind doch nur die Beknackten«, knurrte Elvis.
»Und die Alten«, ergänzte sein
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