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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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Er zog ein Gesicht, als wäre er von Gregor durch eine Glasscheibe getrennt.
    »Soldaten der leichten Infanterie nannte man Füsiliere. Die waren mit Gewehren ausgerüstet, ursprünglich Steinschlossgewehren – Vorderlader, die noch mit Feuerstein gezündet wurden.« Kramer vollzog eine idiotensicher erklärende Bewegung und fuhr fort: »Später hatten sie ja diese Lunten, nicht wahr? Die mussten die Musketiere zunächst anzünden und während die Lunte herunterbrannte, konnten sie zielen.« Nun ahmte der Professor doch tatsächlich mit zwei Armen und einem zugekniffenen Auge einen Schützen nach. »Dann erst wurde das Schießpulver und die Treibladung gezündet. Und PENG! Stellen Sie sich das mal heute vor! Ein kleiner Regen am Hindukusch oder wo die Soldaten momentan gerade auf  Terrorristen zielen, und die müssten das Feuer einstellen, weil die Lunten immer ausgehen.« Er lachte. »Nun ja, genau genommen haben diese Mauern derartige Waffen ja niemals gesehen, nicht wahr? Sie waren ja schon längst Geschichte, als hier die ersten Füsiliere einzogen. Interessieren Sie sich eigentlich für Waffen?«
    Seinen Bleistift hochhebend, entgegnete Gregor: »Das hier ist meine einzige Waffe. Ich würde gern noch mal auf die Finanzierung zurückkommen.«
    Doch er hatte den Eindruck, als registriere Professor Kramer ihn gar nicht, denn ohne darauf einzugehen, referierte er unentwegt über die Geschichte leichter und mittelschwerer Waffen. Gregor versuchte verzweifelt, das Gespräch auf den Zoo zu lenken, doch gegen diesen Wortschwall kam er nicht an. Eine direkte Frage bügelte der Professor sogar regelrecht ab. Lässig in seinem Sessel wippend verwies er darauf, dass das ganze Thema noch der Geheimhaltung unterliege und fügte dann noch beiläufig hinzu, dass er sich bei Gelegenheit einmal in der Rostocker Bürgerschaft darüber informieren würde, worüber er diesbezüglich überhaupt Auskunft geben dürfte. Damit war das Thema durch und das ganze Interview für die Katz, dachte Gregor.
    Wenn Frau Striesenow wenigstens einen Kaffee gebracht hätte. Er hatte Durst und nach der kurzen Nacht überdies Mühe sich zu konzentrieren. Irgendwann hörte er gar nicht mehr hin, er dachte an die Kakteen, deren Plastikübertöpfe und die Fähigkeit lange Zeit ohne Flüssigkeit auszukommen, da sprang der Professor urplötzlich auf und beendete das Gespräch: »Sie verstehen, Herr Gregor, ich muss zu einem wichtigen Termin. Rufen Sie mich an, wenn ich ansonsten noch weiterhelfen kann, so will ich das gerne tun!«
    Als die Tür der 214 ins Schloss fiel, stand Gregor auf dem Flur und wünschte sich ein Gewehr. Vorder- oder Hinterlader? Egal.

Brandsatz

    Gregor wuchtete wieder einmal Einkaufstüten die Treppe hoch. An der Wohnungstür angekommen, steckte er den Schlüssel ins Leere, weil die Tür sich von allein öffnete. Madeleine stand da und sah ihn an. Sie trug ein riesiges T-Shirt mit der Aufschrift  Oasis . Eigentlich war es Gregors Shirt, aber irgendwann hatte er zugeben müssen, dass die übergroßen Oberteile wie Säcke an ihm hingen und ihren Reiz allenfalls im Bierrausch eines Festivals entfalteten, nicht aber im normalen Leben. Das  Oasis -Shirt hatte überlebt – als Nachthemd von Madeleine.
    »Hallo, mein  Wonderwall «, sagte Gregor.
    »Du wolltest Abendbrot machen.« Madeleine ignorierte, dass die ökologisch abbaubare Einkaufstüte aus Papier wieder dabei war, der Länge nach aufzureißen.
    »Ich hab alles eingekauft und koch was. Ihr könnt euch schon an den Tisch setzen, geht ganz schnell.«
    Madeleine trat nicht beiseite. Sie versperrte ihm in ihrer grotesken Aufmachung den Weg.
    »Es ist nach zehn. Und ich meine nicht vormittags. Die Kinder sind im Bett. Wir haben schon gegessen.«
    Gregor umklammerte seine Einkaufstüte.
    »Ich weiß, es ist wieder etwas später geworden. Tut mir leid. Die Sache mit dem Zoo und der Affenfrau ist gerade total spannend. Da kann ich nicht einfach aus der Redaktion abhauen und alles liegen lassen.«
    »Seit Monaten hast du irgendeinen Korruptionsskandal, einen dramatischen Autounfall mit ungeklärtem Hergang oder eine gefährliche Liebschaft in der Bürgerschaft beim Wickel. Jetzt dieses Affenbaby. Vergiss nicht, dass du zwei Menschenbabys zu Hause hast. Vielleicht könntest du für die beiden ja auch mal ein wenig Interesse entwickeln. Wenigstens für die Dauer eines Podcasts.«
    Madeleine drehte sich um und ging Richtung Schlafzimmer.
    »Eingekauft hab ich selbst«, sagte sie noch,

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