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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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ohne sich umzudrehen, und schloss hinter sich die Tür.
    Die Papiertüte gab ihren letzten Widerstand auf, und der Inhalt landete auf dem Fußboden. Dieses Mal hatte es Gregor nicht einmal in die Küche geschafft. Ich hätte den Jutebeutel nehmen sollen, dachte er.
    Gregor schloss langsam die Wohnungstür, hockte sich hin und sammelte auf, was Chop Suey für seine Familie hatte werden sollen. Er war traurig und wütend gleichermaßen. Wütend vor allem auf sich selbst, weil er es mal wieder vermasselt hatte. Wütend darauf, dass Madeleine Recht hatte – und auf ihre selbstgerechte Art. Gregor fühlte sich ungerecht behandelt und wie immer in solchen Situationen drängte sich ihm die Frage auf, ob dies das Leben war, was er führen wollte. Er sammelte ein paar Büchsen und herumgekullerte Paprikaschoten ein, trug sie in die Küche. Welche Alternativen hatte er? In sein früheres Leben ohne Frau, Familie, Verantwortung, dafür aber mit jeder Menge Band-T-Shirts in Übergröße konnte und wollte er nicht zurück. Die vielen Konzertnächte in fremden Städten waren ihm mit der Zeit auf den Geist gegangen, außerdem war er irgendwann ein hohes Pfeifen im Ohr nicht mehr losgeworden. Ein feines Rauschen, das er tagsüber nicht hörte, das ihn aber abends, wenn es still wurde, an die Rockkonzerte in der Lautstärke startender Flugzeugtriebwerke erinnerte. Wie ein Echo seines früheren Lebens. Wenn er damals rechtzeitig auf Journalismus umgeschwenkt wäre, statt auf Festivals zu gehen, hätte er vielleicht sogar Karriere machen können, anstatt sich als freier, angelernter Quereinsteiger durchzuschlagen.
    Gregor räumte seinen Einkauf weg und kostete vom Milchreis, der noch im Topf auf dem Herd klebte wie der Rest eines Graupelschauers. Er schmeckte furchtbar, eine dieser Mischungen aus der Tüte, deren Mangel an Eigengeschmack durch eine Überdosis Vanille kaschiert wurde. So viel zum Thema Bioernährung, murmelte Gregor und schluckte widerwillig den süßen Brei.
    Er ging ins Wohnzimmer und wollte sich für einen kleinen Moment an seinem aktuellen Video-News-Beitrag erfreuen, da surrte das Mobiltelefon in seiner Tasche. Als er es herauszog, zeigte das Display eine Nachricht von Jeanette Albrecht.  Komm schnell her, ich hab was entdeckt. Verwaltungsgebäude. Ruf an, wenn du da bist. Sei unauffällig. Jean.
    Gregor löschte die Nachricht. Seine Stimmung war plötzlich wieder ganz oben. Er warf seine Jacke über und ging zur Tür. Für einen Moment überlegte er, ob er Madeleine sagen sollte, dass er noch einmal losmusste. Aber er hatte keine Lust, etwas zu erklären. Sollte sie doch in ihrer Familienwelt vor sich hin schmollen. Und kochen könnte er morgen immer noch.

    Nahe der  Trotzenburg  schloss er sein Fahrrad an und versuchte dann, im Schatten des Waldes unauffällig zum Verwaltungsgebäude des Zoos zu kommen. Die Pforte stand offen, aber das Haus lag da wie ein schwarzer Klotz. Kein Licht, nirgends. Gregor versteckte sich hinter einem Baum, sodass er weder vom Haus noch von der Straße aus zu sehen war, und wählte Jeanettes Nummer.
    »Ich komme«, flüsterte sie statt einer Begrüßung und legte auf.
    Keine dreißig Sekunden später öffnete sich die Eingangstür. Gregor lief geduckt hinüber, trat ins stockdunkle Treppenhaus. Jeanette schloss ab und machte dann erst ihre kleine Taschenlampe an.
    »Hier entlang.« Jeanettes Silhouette bewegte sich geschmeidig vor Gregor her, während er Mühe hatte ihr zu folgen und sich in der Dunkelheit an den Geländern entlanghangelte.
    »Jean ist ein schöner Spitzname«, raunte Gregor. »Ich wusste gar nicht, dass du so genannt wirst.«
    Sie traten in einen Raum, Jeanette schloss hinter ihnen die Tür und machte das Licht an.
    »Woher, lieber Herr Simon, solltest du das auch wissen?«, sagte sie und löschte ihre Taschenlampe. »Außerdem gibt es eine Menge Dinge, die du noch nicht von mir weißt.«
    Gregor sah sich um. Sie standen in Evelyn Hammers Büro. Die Fenster waren zugezogen. Auf dem Schreibtisch und auf einem kleinen Beistelltisch türmten sich Aktenordner.
    »Machst du Überstunden?«
    »Im Büro meiner Chefin?«, fragte Jeanette zurück. »Na klar, ich bin die geheime Strippenzieherin und leite die Geschicke des Zoos. Frau Hammer ist nur Kulisse.«
    »Sieht ganz danach aus. Wie nennst du denn das, was du hier tust?« Gregor wollte sich setzen, aber auch die Stühle lagen voller Ordner und Türmen aus Zetteln. Er nahm einen Stapel in die Hand und setzte ihn neben

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