Herrgottschrofen
Bagger-Toni nach abgeschlossenen Dreharbeiten nach Hause gefahren und war dort geblieben. Am Samstagvormittag war er zwischen verschiedenen Baustellen hin- und hergefahren. Danach war er mit seiner Familie nach Innsbruck zu IKEA gefahren, wahrscheinlich brauchte eine der Töchter Kram fürs Jugendzimmer. Am Abend hatte er im Bräustüberl an seinem Stammtisch eine Runde nach der anderen geschmissen (woraus die erste Trunkenheitsfahrt resultierte). Nach der zünftigen Bräustüberl-Einkehr dann ein ausführlicher Besuch seines John’s Club, inklusive Trunkenheitsfahrt, diesmal allerdings im Vollrausch. POM Neumann hatte die Runde an Brechtls Tisch genauestens vermerkt. Zumindest soweit ihm die Namen bekannt waren. Dies traf zu auf Klaus Suldinger, den Türsteher der Disco, der, wie das Protokoll vermerkte, immer wieder zum Auftanken an Brechtls Tisch gekommen war, sowie auf den Großbäcker Illenhofer (dessen Backfabrik für das Bäckereisterben im Landl verantwortlich war). Der Rechtsanwalt Dr. Maschenberger war zwischen einundzwanzig und dreiundzwanzig Uhr zugegen gewesen, der tirolstämmige Werbeagenturbesitzer Langnusser zwischen zweiundzwanzig und ein Uhr. Der Multiunternehmer Veit Gruber hatte nach dreiundzwanzig Uhr bis drei Uhr, als der Tanzschuppen schloss, an dem ovalen Stehtisch gelehnt, ab ein Uhr mussten sie ihm zur Stabilisierung eine vollbusige Polin rechts und eine über eins achtzig große, dafür dürre Koreanerin links zur Seite stellen.
Überhaupt die Frauen – da musste POM Neumann passen. Er wusste ihre Namen nicht. Daher konzentrierte er sich auf ziemlich genaue Beschreibungen des Aussehens und des Aufzugs der Grazien, aus denen Ludwig Bernbacher wiederum messerscharf schloss, dass es sich bei ihnen um professionelle Liebesarbeiterinnen handeln musste. Sicher waren die auch zu Dreharbeiten unter die Zugspitze gereist. Ob das zweifelsfrei junge Talent, das am Freitagabend im Baucontainer die weibliche Hauptrolle übernommen hatte, unter ihnen gewesen war, konnte Neumann allerdings nicht sagen. Er hatte das Gesicht der Dame nicht gesehen, und auf dem Handyvideo war auch nur der Rücken des männlichen Akteurs, die Füße der weiblichen Darstellerin an der Glasscheibe und der Regie führende Fuhrunternehmer Brechtl zu sehen (das allerdings in aller Deutlichkeit).
»Früher sind Stars wie die Zsa Zsa Gabor gekommen, und heute … Pfui Deifel!«, schloss Ludwig Bernbacher den Bericht, den er pünktlich um dreizehn Uhr seinem Bürgermeister Hans W. Meier am Telefon durchgab.
»Ah geh, Ludwig, die Zsa Zsa Gabor, was war denn die für ein Star? Das war ja die geistige Mutter aller Paris Hiltons dieser Welt. So eine B-Prominenz kommt doch zu den Weltcuprennen immer noch nach Garmisch. Was wir brauchen an diesem unseren wunderschönen Ort, das sind echte Berühmtheiten. Lady Gaga, verstehst? Die erste Liga.«
Bernbacher verstand nicht, weil er den Unterschied zwischen Paris Hilton und Lady Gaga nicht kannte. Aber das war ja auch nicht sein Job. Für Glanz und Glamour hatte Garmisch-Partenkirchen ja einen Ersten Bürgermeister und seine Tourismusmarketinggesellschaft. Als Ordnungshüter war er dafür da, dass den Prominenten, egal, ob A, B, C oder D, nichts zustieß. Wenn sie denn einmal kämen.
Dann tat Hans W. Meier etwas, was er nur ganz selten tat: Er lobte seinen obersten Polizisten Ludwig Bernbacher. »Jetzt muss ich’s mal sagen, Ludwig: sauber gemacht. Weil, du siehst selbst, der Brechtl Toni muss überwacht werden. Der ist ja eine Gefahr für das Image unseres wunderschönen Ortes. Und dein Mann hat das wirklich mit eigenen Augen gesehen, das in dem Baucontainer? Wann kannst mir das Video schicken?« Bernbacher konnte am Telefon förmlich hören, wie sich der Bürgermeister die Hände rieb.
»Ist schon an eine geheime Stelle ins Netz geladen. Cloud sagt man da jetzt dazu. Der Neumann, der kennt sich da aus. Er bringt dir hernach das Passwort vorbei. Das mailt man besser nicht, meint er. Ein guter Beamter. Sehr brauchbar.«
»Sehr gut, Ludwig, sehr gut. Nur weiter so. Wir beide müssen Schaden von diesem unserem Ort abwenden. Wenn es irgendwie geht, müssen wir jetzt Tag und Nacht am Brechtl Toni dranbleiben. Also, vielleicht hättest du ja noch einen zweiten Mann, den du abstellen kannst?«
»Mann vielleicht nicht, aber die Janine Wagner ist Single und hat Zeit«, ging Bernbacher in Gedanken sein Personaltableau durch. »Ist halt aus dem Osten, also keine Einheimische. Aber mei,
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