Herrgottschrofen
oder Gemeinschaft oder Loge oder so. Da soll er mal forschen. Christen. Petrus-Anhänger. Nennen sich Neffen Gottes. Haben als Zeichen das umgedrehte Kreuz auf einem Felsen.«
»Noch so ein Schmarrn. Aber bei Kreuz und Felsen, da fällt mir was ein …«
»Mir auch«, sagte Hartinger und verlieh seinen Worten durch ein kurzes Nicken und einen Blick in Kathis Augen Nachdruck. Es war nicht gestattet, über den Fall des U-Häftlings zu sprechen. Der das Gespräch mithörende Vollzugsbeamte konnte aber offenbar mit den Begriffen Kreuz und Felsen nichts anfangen.
Kathi wechselte schnell das Thema. »Also, dem Anton geht’s auf alle Fälle gut. Er will dich unbedingt besuchen kommen. So ein Knast ist wohl auch für Buben etwas Spannendes.«
Der Beamte räusperte sich. Die Besuchszeit ging ihrem Ende zu.
Kapitel 10
Albert Frey machte es wieder einmal spannend. Er hatte sich bei Jo Saunders und Martin Bruckmayer für den Dienstagvormittag angekündigt und bereits am Telefon gute Nachrichten versprochen. Und er wollte seine Arbeit ausreichend gewürdigt wissen.
Daher baute er auf dem runden Erkertisch in Martin Bruckmayers Villa Papierstapel um Papierstapel auf, bevor er mit seinem Vortrag begann. Zu dritt standen sie an der dem Zimmer zugewandten Seite des Tisches.
»Nur durch einen unglaublichen Zufall bin ich in den Besitz sämtlicher Einwohnermeldekarteikarten der Jahre 1890 bis 1960 gekommen«, begann Frey. »Natürlich wären die auch irgendwo im Hauptstaatsarchiv rumgelegen, aber eine Woche Wartezeit wäre da das Mindeste, bis man an die herankommt. Und dann darf man auch nicht alle auf einmal einsehen. Denen muss man schon genau sagen, was man sucht. Also, ich jedenfalls habe sie im Rathaus gefunden.«
Frey zeigte auf das beigefarbene Karteikartenkästchen. Er machte einen Schritt auf den Tisch zu und öffnete die Box.
»Mikrofiches. Hat die Firma Heumader in den Siebzigern verfilmt. Das Problem ist, ohne passendes Lesegerät sind die Aufnahmen nicht zu entziffern. Ist alles negativ, also das Papier ist schwarz und die Schrift weiß, außerdem ist das Ganze ziemlich verkleinert. Wenn Sie einmal selbst schauen möchten.«
Er reichte Martin Bruckmayer einen Mikrofiche und ließ ihn das dünne Plastikkärtchen in A6-Größe gegen das Licht des Panoramafensters halten.
»Also braucht man ein Lesegerät«, fuhr er fort. »Und was soll ich sagen, die Welt ist voller Wunder. Im Rathaus auf dem Speicher stand so ein altes Gerät. Natürlich: Lampe kaputt. Speziallampe. Die Geräte werden seit zwanzig Jahren nicht mehr hergestellt, sagte mir die Firma Kodak. Und die Lampen auch nicht mehr. Und jetzt passen Sie auf. Die Frau Heumader, die das kleine Mikroverfilmungsgeschäft ihres Mannes, der in den Achtzigern verstorben ist, bis vor wenigen Jahren betrieb, die hatte noch so eine Lampe im Keller. Bei mir um die Ecke wohnt die Gute.«
Frey strahlte. Er hatte seit gestern gute alte Detektivarbeit geleistet. Kein DNA-Abgleich, keine Computerrecherche in internationalen Datenbanken, keine automatische Nummernschilderauswertung im Verkehrsleitsystem, keine Satelliten. Er hatte einfach im Staub gegraben und war fündig worden.
»Ich also Lampe rein und hab mir von Frau Heumader Anweisungen geben lassen, wie das Lesegerät funktioniert. Eine reizende Dame übrigens. Na ja, Katzentick, aber was soll’s? Auf jeden Fall: Alle neu seit 1950 hinzugekommenen Einwohner Garmisch-Partenkirchens habe ich herausgeschrieben. Bis 1960. Ergebnis?«
Frey machte eine lange Künstlerpause.
Martin Bruckmayer wollte nicht länger warten. »Na los, jetzt sagen Sie schon!«
»Ergebnis: nichts. Kein Lazlo Balta. Kein Paul Rudolph.«
»Wäre ja auch ein Wunder, wenn jemand einen Mord begeht und sich dann unter seinem echten Namen in derselben Stadt anmeldet«, warf Jo Saunders ein.
»Ganz recht, gnädige Frau. Also habe ich mir die alten Programmhefte aus dem Werdenfelser Museum noch einmal durchgesehen. Ich hatte da am Anfang nur so ein Gefühl.« Albert Frey deutete auf einen Stapel von gedruckten A4-Broschüren. »Erst einmal muss ich sagen: Toll, was da damals gemacht wurde. Zweitens: Von allen in den Heften abgebildeten Schönheiten sind Sie die schönste, gnädige Frau.«
Frey zog eine Broschüre aus dem Stapel. Die Titelseite war überschrieben mit CASA CARIOCA GARMISCH – ICE REVUE. Darunter waren drei auf zartem Orangerot gezeichnete Eisläufer zu sehen, davon zwei weiblich. Eine von ihnen befand sich zentral in der Mitte
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