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Herrgottschrofen

Herrgottschrofen

Titel: Herrgottschrofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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Angesprochenen legten beide die Kuchengabeln auf den Tellern ab.
    »Und die Casa?«, fragte Martin Bruckmayer. Er meinte eigentlich: »Und ich?«
    »Und der Fall?«, fragte Albert Frey.
    »Ich werde der Casa Carioca verbunden bleiben. Das kann man auch über E-Mail und Skype. Mein Name ist das wirklich Wichtige daran, machen wir uns nichts vor. Und was den Fall anbelangt: Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass es das Beste ist, wenn ich die alte Geschichte ruhen lasse. Diese Männer haben das Leben meiner Schwester zerstört. Sie müssten dafür bestraft werden. Aber wenn wir sie heute anzeigen, zerstören wir das Leben von ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln. It’s not worth it.«
    Martin Bruckmayer war gerührt. Trotz der Anwesenheit des Gastes sagte er schließlich: »Und ich? Was wird mit mir?«
    Albert Frey wünschte sich ganz weit weg. Das Ende einer Romanze unter Achtzigjährigen mitzubekommen war ihm eine Spur zu peinlich.
    »›Life is simple, you make a choice and don’t look back.‹ – Martin, das habe ich dir gestern Abend gesagt. Du hast es nicht verstanden. Dann muss ich es leider erklären. Ich habe mich einmal dagegen entschieden, mit dir mein Leben zu verbringen. Ich werde diese Entscheidung nicht umkehren, nur weil sechzig Jahre vergangen sind. Ich war mit Tom Saunders verheiratet. Ich bin es immer noch.« Bei den letzten Worten legte sie ihre Hand auf die von Martin Bruckmayer und lächelte ihn voller Bedauern an.
    »Ich respektiere das, Jo. Aber ich werde dich immer lieben.«
    Die Peinlichkeit, der Albert Frey so gern entkommen wäre, schwebte wie eine Wolke über dem Erkertisch. Jo Saunders verscheuchte sie. »You know what? Ich werde auf die gleiche Weise den Atlantik überqueren wie vor sechzig Jahren. Mit dem Schiff.«
    »Eine schöne Idee, gnädige Frau«, sagte Albert Frey und wollte das Gespräch auflockern. »Welches haben Sie sich denn ausgesucht?«
    »To be frank: das, das am schnellsten ablegt. Ich fliege morgen nach Hamburg und schiffe mich am Montagmorgen ein.«
    Martin Bruckmayer schüttelte den Kopf. »Jo, du überraschst mich immer wieder.« Und nach einer Weile fügte er hinzu: »Ich vermisse dich jetzt schon.«
    »Lieber ein Ende mit Schmerzen als ein Schmerz ohne Ende, Martin. Es ist besser so, glaub es mir. Ich muss nach Hause.«
    »Wenigstens habe ich dich noch einmal gesehen. Und das habe ich Herrn Frey und seiner Hartnäckigkeit zu verdanken. Herzlichen Dank, Herr Frey. Und zumindest bleiben Sie mir ja erhalten. Die Auswertung unseres Familienarchivs, das ich Ihnen gezeigt habe, wäre mir schon noch eine Herzensangelegenheit. Zumal ich selbst ja keinen Erben hinterlasse. Nach mir ist die Brauerdynastie der Bruckmayers, wenn man sie überhaupt als solche noch bezeichnen darf, ausgestorben. Ich habe Ihnen ja bereits eine Mail mit den Stationen meiner beruflichen Laufbahn geschickt. Wäre toll, wenn Sie damit beginnen könnten.«
    »Sehr gern. Wann immer mir die Arbeit an der Casa-Carioca-Dokumentation für den Herrn Gruber Zeit lässt, werde ich mich damit beschäftigen, Herr Bruckmayer.«
    »Ach was, der Gruber. Da würde ich an Ihrer Stelle auf Vorkasse bestehen. Der muss das erst einmal finanziert bekommen, sein Wolkenkuckucksheim.«
    »Don’t be so German, Martin!«
    »Doch, meine Liebe, das bin ich. Das war ich hier, das war ich in Asien, das war ich in Brasilien, das war ich überall auf der Welt. Deutsch und korrekt. Ich kann nicht anders. So wie du auch nicht anders kannst.«

Kapitel 11
    »Sauber, Onkel Albert. Ich versuche gerade dem Karl-Heinz Manieren beizubringen, und jetzt wirst du auch noch unzuverlässig. Um vier haben wir gesagt, jetzt ist es halb sechs! Mein Apfelkuchen wartet seit anderthalb Stunden auf dich!«
    Kathi stützte die Fäuste in die Hüften, wie sie es sonst nur tat, wenn sie ihrem Sohn oder dessen Erzeuger eine Standpauke hielt. Wenn sie eines nicht vertrug, dann, für andere Leute zu kochen oder zu backen, die dann entweder gar nicht oder zu spät kamen.
    »Tut mir wahnsinnig leid, Katharina, aber ich konnte beim Bruckmayer nicht weg. Stellt euch vor, die Jo Saunders bricht auf. Morgen schon. Mit dem Schiff von Hamburg nach New York!«
    »Eine Wahnsinns-Frau«, sagte Kathi. »Respekt.«
    »Und die Täter von damals?«, fragte Hartinger, der seit fünf in der Küche saß und auf die Kuchenausgabe wartete.
    »Will sie laufen lassen. Ich musste ihr versprechen, nichts zu unternehmen.«
    »Haben Sie ihr das wirklich zugesagt, Herr Frey?«

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