Herrgottschrofen
Wochenende. Er ist echt ein großartiger Chef.«
Hartinger schwieg und dachte nach. Er wusste nicht, wie es an medizinischen Instituten im Allgemeinen zuging, doch eine Einladung zum Bergwandern schien ihm ein wenig zu vertraut. Besonders nach dem, was im Zusammenhang mit Dotti am Institut in letzter Zeit los war. Hinzu kam noch, was ihm sein Mithäftling über Professor Marchsteiner berichtet hatte.
Das wollte er Dotti aber nicht auf die Nase binden. Sie hätte ihm nicht geglaubt. »Ich hätte eher gedacht, dass er dich rausschmeißt …«
»Ja, ich auch, aber er legt offenbar großen Wert auf mein Verbleiben am Institut. Ich glaube, er will, dass ich langfristig den Laden übernehme.«
»Wenn du meinst …«
»Das gibt mir übrigens auch die Möglichkeit, erst einmal meine Studie fertigzustellen. Du erinnerst dich, darüber haben wir vor einem Monat mal einen Halbsatz verloren, aber es kamen diverse Ereignisse dazwischen.«
»Dann wird das heute Abend also ein Interview?« Hartinger setzte seinen sonst so erfolgreichen Dackelblick auf.
»Mal sehen. So ungewaschene Ex-Knackis interviewe ich nicht. Also erst mal rein mit dir in die Wanne. Da wollte ich übrigens auch gerade hin.«
»So ein Zufall. Dann sparen wir doch ein wenig Energie und verwenden nur eine Wasserfüllung.«
Hartinger stand auf, ging ins Bad und zog den Hebel der Mischbatterie nach oben. Er wusste, dass die luxuriöse Eckbadewanne mit den Massagedüsen und den Wellnesslichtern eine halbe Ewigkeit brauchte, um vollzulaufen. In der Zwischenzeit konnte er in den Ecken und Winkeln der Wohnung checken, ob diesmal alle Kameras ausgeschaltet waren.
Am Samstagvormittag parkte Martin Bruckmayer seinen Mercedes-Geländewagen mit den rechten Rädern auf dem Gehsteig vor dem Haus Höllentalstraße 82. Er half Jo Saunders aus dem Auto, und sie gingen durch die Einfahrt zum Hauseingang. Fünf Parteien wohnten in dem Haus, wie auf dem Klingelbrett an der Eingangstüre ersichtlich war. Neben der Klingel oben rechts stand der Name Beck.
»Showdown«, sagte Jo Saunders und atmete tief durch. Wenn sie jetzt den Klingelknopf drückte, würde ihr dann einer der Mörder ihrer Schwester Franziska die Türe öffnen? Stünde er ihr in wenigen Sekunden gegenüber? Ihr Herz schlug zum Zerbersten.
»Willst du das wirklich?«, fragte Martin Bruckmayer.
»Deswegen bin ich hier.« Sie drückte den Klingelknopf.
Nichts geschah. Sie drückte erneut.
»Er ist wohl nicht da«, sagte Martin Bruckmayer.
»Dann kommen wir am Nachmittag noch einmal«, bestimmte Jo Saunders. Sie klingelte ein drittes Mal.
Als sie durch die Einfahrt zurückgingen, hielt ein in die Jahre gekommener beigefarbener Audi hinter dem Mercedes. Die hinteren Türen flogen auf, drei Halbwüchsige sprangen heraus und klappten den Kofferraumdeckel hoch.
»Opa, wir tragen die Sachen schon mal nach oben!«, rief der größte Bub ins Auto. Er wies die Jüngeren an, welche Taschen und Tüten sie zu tragen hätten, und die drei schleppten sie an Martin Bruckmayer und Jo Saunders vorbei zum Hauseingang, ohne weiter auf sie zu achten.
Schließlich öffnete sich die Fahrertür des alten Audis, ein alter Mann stieg aus, drehte sich zu seinen Enkeln um, und Jo Saunders erkannte ihn sofort. Zumindest wusste sie, dass sie dieses Gesicht vor langer Zeit schon einmal gesehen hatte.
Der Mann war Paul Rudolph. Es gab keinen Zweifel.
Auch der alte Mann erkannte sie offenbar. Jedenfalls zuckte er zusammen und riss gleichzeitig die Augen auf, als stünde er dem Teufel persönlich gegenüber.
Jo sah, wie der alte Herr zurückwich, als wolle er Reißaus nehmen. Doch dann nahm er sich zusammen und ging auf Jo Saunders und Martin Bruckmayer zu.
»Grüß Gott, Herr Bruckmayer. Grüß Gott, gnädige Frau. Kennen wir uns?« Er hielt Jo die rechte Hand hin.
Jo Saunders stand wie versteinert. »Ich denke nicht. Martin, lass uns bitte fahren.«
»Das ist ja zu gütig vom Herrn Hartinger. Wird am Freitag aus dem Knast entlassen, und bereits am Samstagmittag schaut er bei sich zu Hause vorbei!«
Kathi Mitterer schäumte. Sie stemmte die Hände fest in die Hüften, um zu verhindern, dass sie sich wie von selbst um Hartingers Hals legten. Zu gern hätte sie ihn ein bisschen gewürgt.
»Ich bin dein Mieter und nicht dein Mann!«
»Dem Herrgott sei’s getrommelt und gepfiffen.«
»Ich geh dann mal nach oben und schlaf noch ein paar Stunden, bevor der Albert kommt. Wir müssen viel besprechen und recherchieren.«
»Raus
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