Herrgottschrofen
bleiben«, versuchte der nüchterne Weilheimer Kripobeamte zu schlichten.
»Wer ist denn hier unsachlich? Ich hab meine Angaben gemacht. Ich hab einen festen Wohnsitz. Sie haben kein Recht, mich länger festzuhalten. Tippen Sie meine Aussage ab und lassen Sie mich sie unterschreiben. Und dann Servus.«
»Zunächst werden wir Sie hierbehalten müssen, tut mir leid.« Jürgen Hanhardt stand auf. »Wirklich keinen Anwalt?« Er nickte Bernbacher kurz zu.
Die beiden Polizisten verließen das Vernehmungszimmer und ließen Hartinger mit der schlechten Luft darin allein.
Er starrte wieder an die Decke. Jeden Furz von ihm würden sie aufzeichnen. Das Einzige, was er tun konnte, war still am Tisch zu sitzen. Immerhin hatte er genug, worüber er nachdenken konnte. Das Wochenende in München mit Dotti, zum Beispiel. Von wegen Mauerblümchen und vertrocknet. So konnte man sich täuschen. Ein Megaweib war das. Zu mega vielleicht für den Normalmann. Die spielte alle an die Wand, und das vertrugen die Karrieristen, die eigentlich in ihrer Liga spielten, eben schlecht. Da kratzte sie sich lieber – oder notgedrungen – hin und wieder einen Straßenköter wie ihn, den Hartinger, vom Trottoir, hatte ein paar Tage und vor allem Nächte Spaß, und dann ging man wieder seiner Wege. Glücklich war sie damit sicher nicht. Aber, fragte sich Hartinger, welcher Single über dreißig war schon glücklich?
Nachdem sie am Freitagabend das Il Mulino verlassen hatten, waren sie noch in der Goldenen Bar gewesen und dann im Schumann’s. Und erst am Montagmorgen um halb sechs hatte er die Wohnung Schellingstraße/Ecke Augustenstraße verlassen, in der er Frau Dr. Dorothee Allgäuer schlafend zurücklassen wollte, um die zwei Blocks in die Görresstraße zu tapern, wo sein Volvo seit Freitagabend auf ihn gewartet hatte.
Doch sie war erwacht, und weil auch sie an diesem Montagmorgen zur Arbeit musste, war sie mit ihm aufgestanden, und sie hatten zusammen gefrühstückt, ehe er gegangen war.
Hartinger zwang sich, nicht mehr an die Ereignisse im Schlafzimmer in der Maxvorstadt zu denken, sondern an den Abend draußen am Herrgottschrofen. War da etwas gewesen, das auf ein Verbrechen hindeutete? Seit wann hatte die nackte Svetlana dort oben gestanden, mit ausgebreiteten Armen wie eine Gekreuzigte? Wieso hatte sie die Arme ausgebreitet?
Er erinnerte sich an die Frau, die mit dem Hund vorbeigekommen war. Hatte die mit der Sache zu tun? Hatten auffällige Autos auf dem Kanu-Parkplatz gestanden? Er konnte sich an einen Golf erinnern, der auf der anderen Seite des Platzes geparkt hatte. Roter Lack, Garmischer Nummer. Aber der hatte wahrscheinlich irgendeinem Spaziergänger gehört. Vielleicht der Frau mit dem Hund. Doch die war ja nicht über die Brücke gekommen, sondern direkt aus der Breitenau.
So kam er nicht weiter. Und die Polizei würde sicher erst die Befunde der Spurensicherung und der Gerichtsmedizin abwarten, bis sie ihn hier rausließen. Gerichtsmedizin … Der Gedanke brachte ihn zurück zu Dotti. Würde sie Svetlanas Leiche untersuchen? Die Vorstellung beruhigte ihn seltsamerweise ein bisschen.
Dann musste er an die Knochen denken. So ein Zufall – erst fand er alte Knochen in der Nähe des Herrgottschrofens, und dann stürzte dort sein Fotomodell in den Tod. Klar sah das für Außenstehende erst einmal seltsam aus. Auch für ihn. Und er war in diesem Fall wohl kein Außenstehender mehr.
Ob sie ihn rechtzeitig herauslassen würden, dass er den Termin mit Dr. Neumann wahrnehmen konnte? Wenn die herauskriegten, dass ihr Verdächtiger auch noch ihren schlampigen Ermittlungen im Knochenfall nachging, würden sie ihn sicher die ganze Woche lang einsperren. Zumindest bis die Veranstaltung am Mittwoch für ihre Lokalpolitik zufriedenstellend über die Bühne gegangen war, würden sie ihn nicht aus dem Loch lassen.
Hartinger fand diesen Gedanken alles andere als erheiternd.Sicherlich würde der Bernbacher Ludwig genau das probieren. Svetlanas Tod war wahrscheinlich äußerst unangenehm für ihn, denn die Sache gefährdete den Auftritt des Ministerpräsidenten. Wieder einmal war Hartinger das Opfer der Verstrickungen am Ort geworden, wie ihm schmerzlich bewusst wurde.
Kapitel 3
Der Bagger-Toni stand von seinem Stammtisch auf, um sich mit Bürgermeister Meier an einen kleinen Tisch im anderen Eck des Bräustüberls zu setzen. Hans Wilhelm Meier, der ihn mit einer Kopfbewegung aus der geselligen Runde herausbeordert hatte, spürte ganz
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