Herrgottschrofen
seine Nummer.
Nach dem vierten Klingeln antwortete er. Ziemlich schlecht auf sie zu sprechen, der Mann. Das spürte sie schon, bevor sie es hörte.
»Was willst du?«, raunzte er ohne weitere Begrüßung. Positiv gedacht hieß das: Er hatte ihre Nummer gespeichert. Und optimistisch: Er hatte sie auch noch nicht gelöscht.
»Guten Morgen auch, Herr Hartinger.«
»Gar nicht in Cannes oder in Hollywood, die Frau Doktor? Oder wenigstens Offenburg? Komm, ein Bambi wird doch rausspringen für die engagierte Nachwuchsfilmerin.«
»Haha. Ich hab dir den Arsch gerettet mit meinem kleinen Video.«
»Ja, nachdem du ihn der Welt gezeigt hast. Muss ich nachsehen, oder hast du ihn auch auf YouTube zur Schau gestellt?«
»Nee, da nehmen sie solches Material nicht. Die heißt anders, die Seite. Aber mit ›You‹ fängt sie an.«
»Prosit. Gott sei Dank müssen das meine Eltern nicht mehr erleben.«
»Mann, jetzt zick halt nicht rum. Wissen doch nur die vom LKA und von der Kripo.«
»Wenn du wüsstest, welchen Spaß die daran haben, so was intern auf ihren Servern den Kollegen zum Download anzubieten. Aber … na ja, ich hab ja keine Karriere mehr zu verlieren.«
»Ich auch nur noch eine halbe. Sie lassen mich an alle Sachen aus Südbayern nicht mehr ran.«
»An alle? Das wär schade.«
»Aha. Also doch keine ewige Verdammnis, in die du mich wünschst, Herr Hartinger?«
»Kurzes Fegefeuer reicht. Aber sag, warum machst du so was?«
»Na ja, wechselnde Bekanntschaften. Sicher ist sicher. Und es ist auch nur eine Überwachungskamera in meinem Wohnungsflur. Die macht einmal alle zehn Sekunden ein Bild. Und da bist du ein paar Mal durchgehuscht. Also kein hochauflösender Naturfilm, den man an den Discovery Channel verkaufen könnte.«
In ihrem Wohnungsflur, nicht im Schlafzimmer? Und nur alle zehn Sekunden ein Bild?
Wenn dies der Wahrheit entsprach – und Hartinger wusste auf einmal, dass es sich so verhielt –, hatte ihn der Kripobeamte aus Weilheim ganz schön auf den Arm genommen. Von wegen » der Ton ist gut … Respekt, Herr Hartinger …«. Auf den Aufnahmen war nur zu sehen, wie er die Wohnung betreten und wieder verlassen hatte. So viel Humor – wenn überhaupt – hätte er Hanhardt weiß Gott nicht zugetraut.
Oder … Moment mal, war er zwischendurch auch mal nackt durchs Bild gehüpft? Hatte Hanhardt gar nicht von seinem Standvermögen im Bett gesprochen, sondern … was auch immer auf den Aufnahmen so zu sehen war.
Hartinger beschloss, sich weiterhin geschmeichelt zu fühlen. Wenn auch nur klammheimlich und im Stillen. Darum grummelte er: »Ihr spinnts, ihr jungen Leut. Aber … hast recht, den Arsch hast mir damit erst mal gerettet. Ein besseres Alibi gibt es nicht.« Hartinger war wieder besänftigt. »Und du darfst jetzt unsere Knochen nicht mehr untersuchen? Und die Svetlana auch nicht? Das ist wirklich saudumm.«
»Na ja, Zugang zum Institut hab ich ja noch. Und zum Institutsrechner. Da sind alle Akten komplett drauf. Kein Problem.«
»Und die zweite Hälfte deiner Karriere ist dann auch bald flöten.«
»Lass das meine Sorge sein. Ich mach immer noch die Studie. Und die ist für die Zunft der Forensischen Pathologen wichtiger als das eine oder andere Dienstvergehen. Da kenne ich meinen Chef gut genug.«
»Na, wenn das so ist, dann sag ich dir mal, was ich gerade vom Orthopäden meines Vertrauens erfahren habe. Über die Überbeine.«
»Da bin ich gespannt.«
»Erst einmal: Du hast recht. Der Sportarzt in Partenkirchen sagt: Treten an den Außenseiten der Füße selten auf. Bei wem sie allerdings gern auftreten, das sind Sportler, die in jungen Jahren zu enge Schuhe tragen müssen. Die sich geradezu in die Schuhe zwängen und diese dann stundenlang unter höchsten Belastungen anhaben. So lange, bis sie weder ihre Füße darin spüren noch den Schmerz.«
»Ballerinas.«
»Falsch. Die bekommen andere Probleme. Ballettschuhe sind nicht so eng. Aber du bist nah dran: Eisläuferinnen. Also nicht Schnelllauf, sondern die, die tanzen und springen. Kringel drehen, du verstehst?«
»Eiskunstlauf heißt das.«
»Genau. Sancho, Rüttgers, Toulouse.«
»Salchow, Rittberger, Toeloop.«
»Von mir aus. Ich hab’s mehr mit dem Eishockey gehabt, die Kringeldreher waren uns immer suspekt.« Hartinger war nach einigen gescheiterten Versuchen als Jugendlicher allerdings eher passiver Eishockeysportler gewesen. In der Nordkurve des Eisstadions in der Masse grölender Fans bei einer Stadionwurst
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