Herrgottschrofen
haben die nicht.«
Hartinger wusste, dass es keinen Sinn hatte, Weißhaupt nach der Quelle seines Wissens zu fragen. Er war in München und ganz Bayern besser vernetzt als das Glasfasersystem der Deutschen Telekom.
»Dann hau ich mal wieder ab in die Bergheimat. Nach Eisläuferinnen fahnden, die in den Vierzigern und Fünfzigern aktiv waren. Das kann ich dort besser.«
»Erst isst du mit mir ein Roastbeef mit Bratkartoffeln.«
»Ohne Bratkartoffeln, mit Salat.« Hartinger strich sich über den Bauch. Er hatte den Eindruck, als seien die Nacht in der Zelle der Polizeiinspektion und das spärliche Essen dort seiner Linie gut bekommen.
Weißhaupt gab die Bestellung auf. »Michael, für mich das Übliche und für den Herrn Hartinger ganz mageres Fleisch mit Salat. Ohne Dressing. Bring ihm doch bitte einen Rock dazu. Größe 36. Höchstens.«
Es war ein Kraftakt der besondern Art gewesen, den Bürgermeisterstammtisch vom Garmischer Posthotel ins Bräustüberl zu verlagern. Seit mehreren Jahrzehnten hatte er in dem traditionsreichen Beherbergungsbetrieb am Marienplatz stattgefunden. Doch seit das Hotel von einer ausländischen Unternehmensgruppe übernommen wurde, fühlten sich die Honoratioren dort nicht mehr so recht wohl.
Der Garmischer Stammtisch war wichtiger als der in Partenkirchen, keine Frage, denn in Garmisch saß die geballte Wirtschaftskraft der Doppelgemeinde. Am Partenkirchner Stammtisch im Gasthof Zum Rassen in der Ludwigstraße kamen natürlich auch die Köpfe der dortigen wichtigen Familien und Organisationen zusammen. Doch in Garmisch hatte sich in den letzten Jahren das prosperierende Zentrum der Marktgemeinde entwickelt. Immer mehr Geschäftshäuser waren hochgezogen worden, in denen immer größere Läden der großen Ketten die Konsumlustigen aus nah und fern zum Shoppen lockten. Die Bezirksleiter der Modehäuser, Lebensmitteldiscounter und Sportmultis waren für den Bürgermeister mittlerweile beinahe wichtiger als die Chefs der verschiedenen Werbegemeinschaften. Und als die Trachtenvereins- und Weidegenossenschaftsvorsitzenden sowieso.
Und für den Brechtl galt das noch mehr. Denn der hatte die riesigen und mit ausgesuchter Hässlichkeit den Ort verschandelnden Einkaufsbunker gebaut und war an den Immobiliengesellschaften, die sie vermieteten, beteiligt.
Als Toni Brechtl aus Spaß an der Freude und weil er endlich wieder richtige Blut- und Leberwürste aufgetischt haben wollte, das alte Bräustüberl kaufte und wieder mit einem gestandenen Wirt besetzte, der sein Fach verstand, war schnell klar: Der Garmischer Bürgermeisterstammtisch würde umziehen. Und neben Skiclubpräsidenten, Kreissparkassendirektoren und Pfarrern saßen nun auch die Regionalvorsteher von Klamotten- und Lebensmitteldiscountern in der Runde.
Sie alle bedrängten Bürgermeister Meier und seinen Oberpolizisten Bernbacher, dass schnell – und zwar ganz schnell – wieder Ruhe im Ort einkehren möge. Garmisch-Partenkirchen gehe bundesweit – und möglicherweise bald auch weltweit – als Ort durch die Medien, an dem Morde verübt würden. Und in dem ein Einheimischer den Bayerischen Ministerpräsidenten bedränge. Vor laufenden Kameras. Das gehe nicht an, meinte der Bezirksleiter der Sportklamottenkette mit der Fuchstatze. An die Olympiabewerbung glaube er persönlich sowieso nicht mehr. Aber wenn auch noch der Ruf des Ortes unter schmutzigen Geschichten leide, sehe er für seine Umsätze schwarz, und damit sei mittel- und langfristig gesehen der Standort in Gefahr. Die anderen Filialisten-Statthalter nickten eifrig.
»Das glauben Sie nicht, wie schnell unsere Zentrale so eine Niederlassung schließt«, flankierte der Abgesandte Europas größter Billigtextilkette. »Das geht über’s Wochenende. Zack, zack – Ware raus, Regale raus, Logo ab. Und dann geht’s Schlag auf Schlag weiter. Wenn einer weg ist, folgt bald der zweite. Und auf einmal haben Sie einen Leerstand, der sich gar nicht gut macht in der Hochsaison.«
»Und das kriegen Sie auch nicht mehr vermietet. Wer soll denn diese riesigen Flächen nehmen? Sie vielleicht, Herr Eichwalder?« Der Mann, der die Interessen des Schuhmultis vertrat, starrte den einheimischen Konkurrenten geradezu feindselig an. »Sie sind doch schon in jeder leer stehenden Gewerbeimmobilie mit einem Laden vertreten. Wollen Sie unsere zehntausend Quadratmeter in Eins-b-Lage noch dazu? Die kriegen Sie nicht voll. Da braucht’s schon das Marketing, wie wir das machen. Fernsehen,
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