Herrgottschrofen
unerträglich gehalten hatten, dass der evangelische Pfarrer wie seit vielen Jahren üblich am Stammtisch saß und der katholische nicht, schwarz hin oder her – und irgendwie schwarz waren sie ja im Grunde alle. Nachdem dem Afrikaner klargemacht worden war, dass das, was im Bräustüberl besprochen wurde, unter ein Generalbeichtgeheimnis fiel, war er zu dem exklusiven Zirkel zugelassen worden.
»Woher ich das weiß? Weil ich in Ihrer Antrittsmesse war«, plauderte Toni Brechtl vergnügt. »Da haben Sie es gesagt. Und außerdem hab ich daheim Internet. Und ich interessiere mich eben für Menschen.«
Die Stammtischler wunderten sich beim Brechtl Toni über gar nichts. Es war kein Wunder, dass er reich geworden war. Mit seinem brachial-einheimischen Äußeren, dem Garmischer Kantschädel, dem rötlich-blonden Schopf und dem massigen Schnauzer sah man ihm die keltischen Vorfahren an, als wären sie gestern erst aus dem Talkessel verschwunden. Das täuschte manche darüber hinweg, dass der Bagger-Toni ein Geschäftsmann erster Güte war. Und ein solcher bezog seinen Gewinn aus Informationen.
»Was meinst jetzt damit?«, fragte der Bürgermeister genervt. Der Zwei-Zentner-Mann Brechtl war regelrecht zusammengebrochen, als ihm Meier am Montagabend berichtete, dass seine Geliebte, die Svetlana, tot aufgefunden worden war. Über dieser Trauer war kein Gespräch bezüglich des Wochenendes in der Hütte an der Loisach möglich gewesen. Umso mehr hatte sich der Bürgermeister gewundert, als er den Brechtl in bester Verfassung und offenbar geistig aufgeräumt am Stammtisch vorgefunden hatte. Der Schmerz über den Verlust der Gespielin musste von der ganz schnell abklingenden Sorte gewesen sein.
»Was ich mein?« Der Bagger-Toni genoss seine Rolle als Allwissender. Alle Blicke am Stammtisch hingen an seinen Lippen. »Ich mein, dass wir Güter in unserem Landl haben, von denen niemand zu träumen wagte. Ach, was sag ich Güter. Schätze.«
»Hast beim Baggern eine Goldader gefunden, oder bist beim Nasenbohren auf Öl gestoßen?«, machte sich der Verwaltungsdirektor der Klinik über Brechtl lustig. Er war einer der wenigen, die nicht irgendwie vom Bagger-Toni abhängig waren.
»Mei, was weißt du schon von Gold und Öl? Was wisst ihr alle denn von den Gütern, die die Welt von Morgen dringender braucht als die Luft zum Atmen? A bissl Kreativität würde euch nicht schaden, um den Ort nach vorn zu bringen. Gell, Herr Bürgermeister?«
»Leut, lassen wir’s für heut«, schnitt Bürgermeister Meier die Unterhaltung ab, bevor der Brechtl noch von einem aus der Runde in seinem unerträglichen Größenwahn tätlich angegangen wurde. Der Vorsitzende des Trachtenvereins scharrte schon mit den Haferlschuhen. Meier selbst hätte auch gute Lust gehabt, dem Brechtl das Maul zu stopfen. Doch dann würde er nie erfahren, was hinter seinem Rücken in seinem Landl gespielt wurde. Er musste den Brechtl noch einmal in die Mangel nehmen.
Er bereute, dass er den Veit Gruber davon abgehalten hatte, das Wochenende ebenfalls auf der Hütte zu verbringen. Der hätte ihm mit ein wenig Druck schon verraten, was dort vonstatten gegangen war. Der Brechtl aber war aus anderem Holz geschnitzt. Doch auch dafür hatte der Bürgermeister das richtige Werkzeug. Den mysteriösen Tod der Svetlana einfach wegzuschnaufen würde dem Toni nicht so leicht gelingen. Nein, dachte der Bürgermeister, die junge Frau sollte ihren schrecklichen Tod nicht umsonst gestorben sein. Einen Dienst konnte sie ihrer Wahlheimat schon noch erbringen.
Kapitel 4
»Drohen? Ich Ihnen drohen? Dem Vertreter der Presse, der vierten Macht im Staate? Herr Habersetzer, wo denken Sie hin?«
Der Erste Bürgermeister Hans Wilhelm Meier stand wie immer mit beiden Beinen fest auf dem Boden von Recht und Gesetz. Nur seinen Kopf reckte er ab und an in die wilde Luft des Außergesetzlichen.
Das wusste auch sein Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung. Peter Habersetzer war erst seit drei Jahren Redaktionsleiter des Garmisch-Partenkirchner Tagblatts. Um die Machtverhältnisse am Ort zu verstehen, hatte er als erfahrener Lokaljournalist nur zwei Wochen gebraucht. In Garmisch-Partenkirchen am Südrand Bayerns ging es auch nicht viel anders zu als am Ostrand des Freistaats in Vilsbiburg, wo er das Handwerk gelernt hatte.
»Wie würden Sie denn dann den Inhalt dieses Telefonats zusammenfassen, sehr geehrter Herr Meier? Ist das keine Drohung, wenn Sie mir sagen, dass die Unternehmer,
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