Herrgottschrofen
es nur für Gefangene, die einen Computerkurs besuchten. Und auch dort im PC-Raum wurden nur für den Kurs nötige Seiten freigeschaltet. Internetnutzung war im Gegensatz zum Fernsehen noch kein Grundrecht.
Als er den Fitnessraum in Begleitung eines Vollzugsbeamten betrat, wollte Hartinger am liebsten auf der Hacke kehrtmachen. Es war nicht der Geruch in der schlecht belüfteten Sporthalle. Es war der schiere Anblick seiner Sportsfreunde. Das also waren Knackis in Reinkultur.
Hartinger hatte seine Mithäftlinge bei den gemeinsamen Mahlzeiten beobachten können. In ihrer uniformen Kleidung sahen sie alle mehr oder weniger gleich und auch durchschnittlich aus. Doch an den glänzenden Hanteln und unter den imposanten Gewichten machten diese Männer einen ungemein gefährlicheren Eindruck. Sie hatten die Muskeln aufgepumpt, und die meisten hatten umfangreiche Tätowierungen nicht nur auf den Unterarmen.
Hartinger fragte sich, ob es eine gute Idee war, in dieser Halle und vor allem mit diesen Männern zu trainieren. Sobald er die stählernen Trainingsgewichte in die Hände nehmen würde, konnte jeder sehen, dass er nicht gerade Arnold war. Er hoffte inständig, dass der Beamte, der ihn hergebracht hatte, während der Stunde Trainings an seiner Seite bliebe. Dennoch unterdrückte er sowohl den Fluchtreflex als auch die Bitte »Sie bleiben aber?«, die ihm auf der Zunge lag. Und schon stand er allein unter zehn Bodybuildingtieren, von denen ihn jeder mit Leichtigkeit in der Mitte auseinanderreißen konnte. Und – wer wusste das schon – so etwas bestimmt auch schon des Öfteren getan hatte. Das waren keine Wirtschaftskriminellen, die sich als Banker nonchalant die eine oder andere Million auf das eigene Konto in der Südsee transferiert hatten, sondern Verbrecher, die vor Raub, Totschlag, Mord nicht zurückschreckten. Zumindest sahen sie so aus.
Hartinger raunte ein verdruckstes »Servus« in die Runde. Schnell wollte er sich in die Ecke zu einer Butterfly-Maschine zurückziehen, wo er sich der allgemeinen Aufmerksamkeit zu entziehen hoffte.
Doch zu seinem Entsetzen rollte der größte und aufgeblasenste Muckimann bereits auf ihn zu.
Anstatt Hartinger aber in den Schwitzkasten zu nehmen, hielt er ihm die Pranke hin und sagte mit einer für seinen massiven Körper lächerlich hohen Fistelstimme: »Servus. Ich bin der Markus. Ich bin der Trainer hier. Freut mich sehr, dass ein neues Gesicht reinschaut bei uns. Kennst dich aus, oder sollen wir einen Trainingsplan aufstellen?«
Hartinger schloss aus Markus’ hoher Tonlage, seinen Muskelbergen und der für einen Mann mittleren Alters ungewöhnlichen Gesichtsakne, dass man im Knast wirklich alles bekommen konnte, auch anabole Steroide in rauen Mengen.
»Ich bin der Gonzo. Trainingsplan wäre super. Bin viel gelaufen in letzter Zeit.«
»Aber nicht schnell genug, sonst wärst nicht hier, was sagts ihr, Burschen?« Markus lachte sich halb tot und mit ihm die angesprochenen Muskelmänner an den Maschinen.
Hartinger nickte nur zustimmend. »Also oben rum müsste ich schon mal wieder was machen.«
»Da fangen wir mit Rücken und Bauch an. Arme und Brust kommen später. Wichtig ist eine gute Rumpfmuskulatur. Da, schau her.« Markus drehte sich um und zog sein Tankshirt nach oben, um Hartinger die Stränge seiner Rückenmuskulatur zu zeigen. »Ein starker Rücken bricht nicht. Auch nicht im Knast.«
»Imposant.«
»Kriegst du unter meiner Planung auch hin, Gonzo. Lass mich nur machen.«
»Ich meine das Tattoo.«
»Ah, das da unten.« Markus klatschte sich auf den Lendenbereich, wo er über dem Hosenbund einen formatfüllenden Spruch in Frakturschrift eingetintet trug.
»›Come in and die!‹ Was soll das heißen?«, fragte Hartinger, obwohl er fürchtete, die Bedeutung bereits erraten zu haben.
»Genau, was da steht. Und auf Englisch, damit’s auch ein jeder versteht. Wer bei mir da hinten rein will, der ist tot. Ganz einfach. Haben viele hier, diesen Spruch. Und wir meinen’s auch so, falls du’s herausfinden willst.«
»Ich? Ich bin Normalo«, versicherte Hartinger ganz schnell.
»Das sind die meisten, wenn sie hier reinkommen. In zehn, zwanzig Jahren ändern sich die Vorlieben manchmal. Und was ist schon normal?«
Hartinger wechselte schnell das Thema. »Dann machen wir jetzt mal einen Trainingsplan, würde ich sagen.« Er wusste, dass er sich an Markus halten sollte, wenn er seine Aussichten auf ein relativ problemfreies Leben hinter diesen Mauern
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