Herrgottschrofen
Supermarkt runterfahre, dann geben sie mir dafür nichts.«
»Hast auch wieder recht. Du machst das schon richtig, meine Lieblingsnichte.«
»Wie war’s mit der Jo Saunders und dem Martin Bruckmayer heute Abend?«, wollte Kathi wissen.
»Ein Wahnsinn. Der komplette Wahnsinn. Ich sag’s dir, wir haben deinen Karl-Heinz sehr bald aus dem Gefängnis raus. Es ist eigentlich vollkommen ausgeschlossen, dass die Knochen vom Herrgottschrofen nicht von Franziska Stiller stammen.«
Albert Frey trank einen großen Schluck aus dem Weißbierglas. Dann erzählte er Kathi die Geschichte von der geheimen Untersuchung der amerikanischen Armee und deren Ergebnissen. Und dass diese Ergebnisse sechzig Jahre von Tom Saunders, der sie damals geleitet hatte, unter dem Teppich gehalten worden waren.
Als er mit der Zusammenfassung fertig war, hielt es Kathi nicht mehr bei Mehl, Hefe und Eiern. »Heute genau vor sechzig Jahren? Mensch, Onkel Albert, wenn du das in einem ›Tatort‹ siehst, dann denkst du dir: Was für ein Schmarrn! Aber eine Josepha oder besser Jo, die ihr ganzes Leben auf einer Bühne gestanden ist, hat sicher einen Sinn für Inszenierungen. Was mich aber noch mehr interessiert, sind die Täter. Vier oder fünf? Ist sie sicher, dass zwei davon tot sind?«
»Zwei der vier Täter waren GIs. Und deren Namen und Dienstnummern stehen in dem Untersuchungsbericht. Du kannst dir vorstellen, dass die Jo Saunders keine Probleme hatte, über die Freunde ihres verstorbenen Mannes im Verteidigungsministerium an die entsprechenden Informationen zu gelangen.« Albert Frey holte seinen Notizblock aus der Tasche hervor. »Das Pentagon hat ihr Folgendes bestätigt: James Andrews, Jahrgang 1923. Dienstrang 1951 in Garmisch: Lieutenant. Ordonanz des Garnisons-Kommandanten Thomas Saunders. Wurde nach USA zurückversetzt und von dort nach Korea, wo er seit 1952 vermisst ist. Missing in action, wie die Amis so schön sagen. Ich schätze, sie haben ihn zur Strafe in ein Himmelfahrtskommando geschickt. Daniel Rees, Jahrgang 1922. Dienstrang 1951 in Garmisch: Corporal. War Fahrer des Garnisons-Kommandanten. Wurde ebenfalls umgehend in die USA und dann nach Korea versetzt. Überlebte den Korea-Krieg und starb 1963 an Lungenkrebs.«
»Puh, starker Tobak. Der Ordonanzoffizier und der Fahrer ihres Mannes ermorden ihre Schwester. Und er erzählt ihr nichts davon. Sechzig Jahre lang. Nimmt das Geheimnis mit ins Grab.«
Albert Frey genehmigte sich noch einen Schluck und wischte sich den Henri Quatre ab. »Und lässt die Unterlagen in seinem Safe liegen? Hm, wieso hat er sie nicht vernichtet?«
»Ist doch klar. Damals, 1951, wollte er Josepha bekommen und da kein Risiko eingehen. Wenn die junge Josepha gewusst hätte, dass ihre Schwester von zwei seiner Mitarbeiter vergewaltigt und ermordet worden ist, wäre sie dann mit ihm nach Amerika? Erstens hätte sie ihn doch gefragt: Was für Leute hast du um dich rum? Zweitens hätte sie sich selbst Vorwürfe gemacht. Und dann wollte er aber doch, dass sie am Ende die Wahrheit erfährt.«
»Hm. Weibliche Logik. Ob die auf einen hartgesottenen amerikanischen Karriereoffizier anwendbar ist?«, zweifelte Albert Frey die Überlegungen seiner Nichte an. »Aber gut, lassen wir es einmal dahingestellt, warum er die Unterlagen nicht vernichtet hat. Vielleicht hat er wirklich vergessen, dass sie im Safe lagen. Der Mann war neunzig.«
»Und er wusste ja nicht, wann er stirbt.«
»Gut. Das Spannende ist, da sind noch zwei andere Täter in den Unterlagen genannt, aber über die hat Jo Saunders nichts in Erfahrung bringen können. Deswegen ist sie eigentlich hier. Sie will wissen, ob die noch leben. Na klar, sie kann sich dunkel an die Leute von damals erinnern, aber auch nicht an alle Namen und Gesichter. Sie war der Star der Show. Hat sich nie mit den niederen Chargen gemeingemacht.«
Kathi riss entsetzt die Augen auf. »Sind die beiden vielleicht sogar Einheimische?«
»Nicht in dem Sinn, was man hier unter einheimisch versteht. Also nicht seit der Römerzeit hier ansässig. Nein, es waren Reingeschmeckte. Aber vielleicht haben sie sich hier niedergelassen, wer weiß. Jedenfalls waren damals laut den Ami-Unterlagen an der Tat beteiligt: Lazlo Balta, ungarischer Eistänzer. Paul Rudolph, gebürtig in Dresden, nach Entlassung aus russischer Gefangenschaft in Garmisch gelandet und Aushilfskellner in der Casa Carioca. War auch so was wie der Lakai der Eisprinzessinnen, hat Botengänge für sie erledigt. Hatte
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