Herrgottschrofen
schwöre‹ müssens noch sagen, Herr Brechtl.«
»Ich schwöre. So wahr mir Gott helfe.«
»Sehr gut.« Der Ministerpräsident schmiss die Bibel wieder in die Lade und knallte sie zu.
»Also, Brechtl, jetzt passens auf. Akten des Geheimdienstes sind das eine. Die kann man da locker einen Sommer zwischenlagern. Man kann sie dort auch einhundert Jahre zwischenlagern. Eintausend. Zehntausend. Man kann ja ständig hin an die Container und nachsehen, ob’s denen noch gut geht. Die Temperatur messen und die Luftfeuchte. Das sagen die Beamten aus dem Amt für Datensicherheit. Und dann hab ich andere Ministerien und Ämter mal unverbindlich befragen lassen, ob sie auch was zum sicher Lagern hätten. Weil, lieber Brechtl, vier Kilometer Tunnel, da bringen wir doch auch noch was anderes rein als Papier. Und, was glauben Sie? Die Beamten aus dem Amt für Strahlensicherheit haben die Untersuchungsergebnisse der Datenschützer einmal hin- und hergewälzt. Und sind ganz begeistert. Na, schnackelt’s?« Der Ministerpräsident machte ein Lausbubengesicht.
»Äh … nein, noch nicht.« Anton Brechtl hatte das Wort »Strahlensicherheit« durchaus gehört, jedoch weigerte sich sein Gehirn, den naheliegenden Schluss zu ziehen.
»Ist doch für einen gewieften Mann wie Sie nicht so schwer. Sie lesen doch auch die Zeitung«, sagte der MP. »Mensch, Brechtl, Sie als Entsorgungsspezialist! Das Endlagerthema. Gorleben, Asse und der ganze Kladderadatsch da oben. Die wollen doch tatsächlich jetzt, dass wir ergebnisoffen prüfen, ob man den ganzen Atommüll nicht bei uns endlagern kann. In unserem schönen Bayernland!« Das Wort »ergebnisoffen« langte der Ministerpräsident sozusagen mit spitzen Fingern an und sprach es entsprechend gespreizt aus.
»Aber wir haben doch schon erklärt, dass es bei uns keine wirklich geeigneten Lagerstätten gibt«, entsann sich der Bagger-Toni.
»Eine Erklärung wird uns nichts bringen. Aber Taten, lieber Brechtl, Taten sind das Entscheidende. Schauens her, wenn wir ein kleineres Problem lösen, rauschen die größeren Probleme an uns vorbei. Drum werden wir die Brennstoffkugeln aus Jülich bei uns einlagern. Also, bei Ihnen dort draußen im Tunnel. Zwischenlagern halt, nicht für die Ewigkeit, lieber Brechtl.«
»Aber für hundert Jahre schon?«
»Oder für tausend, wer weiß? Und, ganz ehrlich: Wen interessiert’s? Das Zeug ist so sicher, da würde ich mir einen Castor im Keller von meinem Reihenhaus lagern. Wenn er reinpassen würde. So einer wiegt siebenundzwanzig Tonnen. Und, mein lieber Brechtl, wenn ich das Geld dafür bekommen würde. Und da kommt die gute Nachricht: Die ganze Infrastruktur und das Handling von den einhundertzweiundfünfzig Castoren machen Sie, die Firma Brechtl!«
Brechtl wurde für einen kurzen Moment schwarz vor Augen. Er hatte große Teile seines Vermögens mit Müll verdient. Aber er hätte nie geglaubt, dass es eines Tages Atommüll sein würde. Er wusste, dass er die Gewinnspannen aus dem Atomgeschäft mit Joghurtbechern nicht würde erzielen können. »Kann ich des?«, brachte er wie in Trance hervor.
»Herr Brechtl, so kenne ich Sie gar nicht. Ein bayerischer Unternehmer, der die Zukunft in die Hand nimmt. Die Zukunft seines Landes, seiner Gemeinde, auch seine eigene. Ob Sie das können, lieber Herr Brechtl? Sie? Das kann ehrlich gesagt jeder Depp. Die Castoren aus Jülich enthalten so Brennstoffkugeln. Tennisballgroß. Rund dreihunderttausend Stück insgesamt. Ja, klar, da ist Uran dabei, Plutonium auch. Reden wir nicht drum herum: hochradioaktiv, das Ganze. Aber die Castoren, das ist deutsche Wertarbeit. Sphäroguss. Gusseisen mit Kugelgrafit. Die sind so sicher und so dicht, da geht in hunderttausend Jahren nichts durch. Und dabei ist so ein Castor nicht größer als ein normaler Heizöltank. Da flanschen Sie einfach einen Hallenkran an die Decke von dem Tunnel, und mit dem bewegen Sie die Castoren hin und her. Oder besser gesagt, Herr Brechtl: Sie bewegen sie einmal hin. Und dann lange Zeit nicht mehr her. Sehr lange Zeit, unter Umständen. Aber in dieser Zeit kassieren Sie Miete. Und das nicht zu knapp. Und Ihre Nachkommen. Also wir. Ich meine natürlich: das Konsortium. Und wir beauftragen Sie. Das Konsortium tut das. Aber das sind Details. Dazu kommen wir später.«
Brechtl hatte seine schnelle Auffassungsgabe wiedergefunden. »Und man kommt ja immer hin zu den Containern, falls mal was wäre.«
»Ganz genau, Herr Brechtl. Jetzt hat’s geschnackelt!
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