Herrgottschrofen
verbessern wollte.
»Kommen Sie rein, Herr Frey. Wir haben mit dem Abendessen auf Sie gewartet.« Martin Bruckmayer hängte Albert Freys Jacke an die Garderobe und führte ihn in das riesige Wohnzimmer seiner Villa, das am linken Eck einen schönen Erker mit einem runden Tisch mit einer Bank darum hatte. Dort saß bereits Jo Saunders. Die Hausangestellte kam mit einer großen Suppenterrine und stellte sie auf den Untersetzer. »Jo hat sich Griesnockerlsuppe gewünscht. Ich hoffe, das ist nach Ihrem Gusto, Herr Frey.«
Frey mimte den Empörten, wie es sich geziemte: »Ich bitte Sie, wie könnte ich dem Wunsch von Frau Saunders widersprechen. Und gegen eine gute Griesnockerlsuppe habe ich ohnehin nichts einzuwenden. Könnte ich Tag und Nacht essen.«
»Perfekt wären die Nockerln, wenn sie innen einen gelben Kern hätten«, freute sich Jo Saunders.
»So mag ich sie auch. Und die Marga hat sie sicher so hinbekommen. Gell, Marga?«
Die Hausangestellte nickte ihrem Chef nur zu und verschwand dann wieder in der Küche.
»Wenn die einmal nicht mehr ist, die Marga … Man bekommt ja kein ordentliches Personal heutzutage«, sinnierte Martin Bruckmayer und blies mit gespitzten Lippen die Suppe auf seinem Löffel kühl.
»Well, Martin, wie alt ist sie? Sechzig? Du bist achtzig. She will see you out …«
»Sprechen wir nicht übers Sterben, meine Lieben. Nicht bei einer so guten Suppe.«
»Ich muss heute noch über das Sterben sprechen«, sagte Jo Saunders in ihren Teller hinein, in dem sie gerade ein Griesnockerl mit dem Löffelrand teilte. »Über den Tod meiner Schwester. Ich habe etwas mitgebracht.«
»Da bin ich sehr gespannt, gnädige Frau«, sagte Albert Frey.
»Aber lasst uns erst essen, bitte«, mahnte Martin Bruckmayer.
Den Rest der Mahlzeit herrschte Schweigen am Tisch, das nur durch das Gründeln der Löffel auf den Böden der Suppenteller unterbrochen wurde. Als Marga die Teller abtrug und sich nach Käse oder Dessert erkundigte, hielt es Jo Saunders nicht länger aus. »Sorry, ich kann nicht länger warten. Hier, das wollte ich euch zeigen.« Sie zog einen dicken Aktendeckel aus der Tasche, die neben ihrem Stuhl stand, und legte ihn zwischen Martin Bruckmayer und Albert Frey.
»Was ist das?«, fragte Martin Bruckmayer.
»Ein geheimer Untersuchungsbericht der US-Armee, steht ja drauf«, meinte Albert Frey.
»So gut ist mein Englisch auch, Herr Frey. Ich meine, was steht da drin?«
»Das habe ich gefunden, als Tom starb«, erklärte Jo. »In seinem Safe ganz unten. Er scheint es dort vor vielen Jahren deponiert zu haben.«
»Darf ich reinschauen?«
»Selbstverständlich, Herr Frey. Deswegen zeige ich es Ihnen.«
Albert Frey öffnete den Verschluss des Aktendeckels, der aus einem Pappknopf und einem roten Faden bestand, der darum gewickelt war.
»Die Untersuchungsakte über das Verschwinden Ihrer Schwester Franziska!«, sagte er staunend, nachdem er die erste Seite gelesen hatte.
»Über den Mord an meiner Schwester. Hier stehen vier Tatverdächtige. Und vielleicht ein fünfter. Sie haben an dem Abend des 26. April 1951 meine Schwester in ein Auto gesetzt und sind mit ihr davongefahren. Ich möchte wissen, ob einer von diesen Männern noch lebt.«
»26. April … Das war heute vor sechzig Jahren!«, rief Albert Frey aus.
»Zufall, Herr Frey.«
»Und diese Unterlagen hat Ihr Mann sechzig Jahre lang vor Ihnen verheimlicht?«
»Ja, und ich habe keine Idee, warum er das getan hat.«
Martin Bruckmayer räusperte sich. »Vielleicht, weil er dich geliebt hat. Er wollte dich schützen.«
»Das macht man nicht. Gerade, wenn man jemanden liebt. Jeder Mensch hat das Recht auf die Wahrheit. Ich werde mir meine beschaffen. Und die von Franziska.«
Um den Tisch herum herrschte betretenes Schweigen.
»Darf ich die Unterlagen mitnehmen?«, fragte schließlich Albert Frey. »Nur für einen Tag?«
»Nein, ich möchte nicht, dass es Kopien davon gibt, Herr Frey. Wenn Sie daran forschen wollen – und darum würde ich Sie sehr herzlich bitten –, müssen Sie die Unterlagen hier einsehen. Sie können jederzeit zu mir kommen. Oder, Martin?«
»Jederzeit, Herr Frey. Mi casa es su casa.«
Kathi Mitterer räumte auf. Sie rannte zwischen Wohnzimmer und Küche hin und her, hob dort etwas auf, was sie hier wieder in eine Schublade steckte. Im Hintergrund lief der Fernseher. Eine Politiksendung im Bayerischen Rundfunk. Sie lauschte nur mit einem halben Ohr.
»… werden sicherlich auch ganz neue Optionen
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