Herrgottschrofen
wohl das Vertrauen vieler von ihnen. Und sicher auch das Vertrauen der Kolleginnen, also der Bedienungen, wie Franziska eine war. Hübscher Kerl, eigentlich. Wie gesagt, sie erinnert sich schon an die, aber eher schemenhaft.«
»Du hast Fotos gesehen?«
»Ja, in der Akte gibt es Bilder der Verdächtigen. Allerdings sind die beiden Namen nirgends sonst vermerkt. Was aber nichts bedeutet. Jo Saunders hat bisher nur Google dazu befragt. Und ich auch. Über Achtzig- bis Neunzigjährige steht da nicht immer etwas. Die haben ihre Jugendsünden nicht mit dem Handy fotografiert und auf Facebook getwittert oder was man da heutzutage alles treibt.«
»Das musst du doch wissen, du bist doch unser viriler Virtueller, Onkel Albert.«
»Mach dich nur über einen alten Mann lustig. Aber der weiß schon, was er jetzt tut. Er wird sich in den Archiven verkriechen und die beiden Namen Lazlo Balta und Paul Rudolph durchleuchten. Mal sehen, was denen in den vergangenen sechzig Jahren so widerfahren ist.«
»Aber erst machst eine Brotzeit und trinkst ein zweites Weißbier, wie ich dich kenne, Onkel Albert.«
»Vielleicht auch noch zwei. Das Bett unterm Dach ist ja frei, nachdem dein Tschamsterer nach wie vor einsitzt.«
»Gern. Bett ist frisch gemacht. Nur eines schuldest du mir noch: Was ist mit dem fünften Mann?«
»Ja, das ist die große Ungereimtheit. In den Geständnissen der vier Täter steht, dass sie zu viert waren.«
»Woher kommt dann der fünfte Mann?«
»Aus der Zeugenaussage des Barkeepers. Er hat gesehen, dass Franziska am Ende des Abends, nachdem die Gäste alle weg waren, mit einigen Männern an einem Tisch gesessen ist. Sie müssen sich schwer besoffen haben. Und er sagte in seiner allerersten Einvernahme aus, dass fünf Männer mit der jungen Frau verschwunden seien. Später behauptete er dann, er wär sich nicht sicher, ob es vier oder fünf gewesen seien, aber dass es wohl eher vier waren. Und andere Angestellte und Militärangehörige sprechen uneinheitlich von vier oder fünf Männern.«
»Der Fahrer, die Ordonanz … Vielleicht war der Garnisons-Chef selbst auch dabei?«
»Schlaues Kind, meine Nichte.«
»Sogar so schlau, dass ich weiß, wer der Barkeeper war.«
»Nicht schwer zu erraten. Unser heutiger Grandseigneur Martin Bruckmayer.«
»Der Jugendfreund von Josepha und Franziska. Bei dem Franziska Unterschlupf gefunden hat. Interessante Konstellation.«
Kapitel 8
Der Audi des Bürgermeisters knirschte auf dem Kies und stoppte genau an der Stelle, an der die Holztribüne für den Auftritt des Ministerpräsidenten gestanden hatte. Innerhalb einer Woche hatte sich alles geändert. Der MP war für Meier nicht mehr zu sprechen gewesen, wegen des Auftritts dieses irren Hartinger. Die Leute vom Bernbacher hatten den Hartinger zwar zusammen mit Männern, die Meier nicht kannte – und auch nicht kennen wollte –, aus dem Verkehr gezogen, doch das hatte keinen Stimmungsumschwung in der Staatskanzlei bewirkt. An Frau Wimmer kam Hans Wilhelm Meier schon seit Tagen nicht mehr telefonisch vorbei. Nicht einmal der persönliche Referent war für den Garmisch-Partenkirchner Partei-Statthalter zu sprechen. Dabei wollte Meier doch nur seine uneingeschränkte Unterstützung der neuen Pläne kundtun. Akteneinlagerung des BND, dagegen war doch nichts zu sagen, fand er. Das wäre ja vielleicht ein ausbaufähiges Geschäftsmodell. So wie in ehemaligen Schweizer Bunkern Akten und Kunstwerke mittlerweile für hohe Gebühren gelagert werden konnten. Endlich Arbeitsplätze in Garmisch-Partenkirchen, die nicht von Sonne, Schnee und Regen abhingen.
Zumindest bis zum vergangenen Abend hatte er die Pläne begrüßt. Dann hatte er den Umweltminister in der Talkshow des Bayerischen Rundfunks gesehen und auf diese Weise erfahren müssen, dass keineswegs nur Akten des Bundesnachrichtendienstes im Kramertunnel – in seinem Kramertunnel – gelagert werden könnten.
Natürlich hatte er sofort eins und eins zusammengezählt. Meier war mindestens so schlau wie ein durchschnittliches Kabinettsmitglied der Bayerischen Staatsregierung. In dem Moment, als der Umweltminister, dieses speichelleckende Nachlafferl des Ministerpräsidenten, im Fernsehen seinen großartigen Plan verkündet hatte, war dem Meier schlagartig klar geworden, dass sein Loisachtal, sein Werdenfelser Land, sein Garmisch-Partenkirchen, sein Tunnel Teil dieser Überlegungen waren. Denn dieser sein Tunnel war wahrscheinlich der einzige geeignete Ort im ganzen
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