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Herrgottschrofen

Herrgottschrofen

Titel: Herrgottschrofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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zu niemandem Kontakt zu haben und saß immer in derselben Ecke des Speisesaals, von wo aus er alle anderen Insassen genau zu studieren schien.
    Hartinger räusperte sich und fragte: »Entschuldigen Sie. An was forschen Sie da?«
    Der alte Mann nahm die Lesebrille ab und schaute sich Hartinger mit wässrigen Augen lange an. Dann sagte er: »Interessiert Sie das wirklich?«
    »Würde ich sonst fragen?«
    »Was weiß ich, was Sie wollen. Aber Sie sind neu hier, das sehe ich. Sie haben vielleicht noch keine üblen Pläne, die erfordern, dass ich in meinen Büchern irgendetwas für Sie hier rein- oder rausschmuggle.«
    »Gute Idee. Eine Feile, vielleicht?«
    »Sie werden lachen, das hat noch niemand verlangt. Pistolen, Messer, Drogen. Das ist das Übliche.«
    »Ich rauch nicht mal.«
    »Na denn. Lutz Gustav Geisler mein Name. Professor für Quantenphysik.«
    »Karl-Heinz Hartinger. Fotograf. Sehr angenehm.«
    »Das hört sich spannend an, Fotograf.«
    »Kommt darauf an. Quantenphysik ist sicher spannender.«
    »Kommt auch darauf an. Aber ich habe das Glück, am LHC mitarbeiten zu dürfen. Das macht die Sache sehr spannend.«
    »Am was?«
    »Oh, Verzeihung. Am Large Hadron Collider. Teilchenbeschleuniger am CERN in Genf. Ich bin Mitglied der Forschungsgruppe ›Ursprung und Struktur des Universums‹ am Max-Planck-Institut in München.«
    Hartinger glotzte den Mann in seiner Häftlingskleidung an. Dieser Mensch war einer jener wenigen superintelligenten Vertreter der Spezies, der daran forschte, was die Welt im Innern zusammenhielt?
    »Wenn Sie mir nicht glauben, ist das auch egal. Würde ich auch nicht.«
    »Ich frage mich nur – Sie verstehen meine Skepsis –, was machen Sie hier drin?«
    Der Mann, der sich als Professor Geisler bekannt gemacht hatte, schaute kurz hinauf zu den Neonröhren an der Decke, als müsste er sich erst orientieren, wo er eigentlich war. »Ganz einfach, sehr geehrter Herr Hartinger. Auch Menschen, die sich auf eine Milliardstelsekunde an den Urknall herangepirscht haben, ist es leider nicht gestattet, ihrer Frau mit einem Scheit Holz den Schädel zu spalten.«
    Plötzlich stand der Vollzugsbeamte neben Hartingers Tisch und unterbrach ihr Gespräch: »Hartinger, die Zeit ist um. Reden ist übrigens hier drinnen verboten.«
    Hartinger blieb ungerührt sitzen. »Wie ungerecht«, sagte er zu seinem Gegenüber.
    »Gell, finde ich auch. Besonders in meinem Fall. Sie hat mich betrogen. Mit einem Wurschtelphysiker.«
    »Mit einem Chemiker?«
    »Schlimmer. Mit einem Mediziner. Dem Chef der Rechtsmedizin der LMU.«
    Hartinger schüttelte sich, als hätte er einen elektrischen Schlag erhalten. »Professor Marchsteiner?«, rief er überrascht aus.
    Der Vollzugsbeamte zischte ein scharfes »Hartinger! Auf geht’s, gemma.«
    »Sie kennen ihn? Hüte dich vor den Selbstgerechten, denn sie sind die wahrhaft Durchtriebenen.«
    »Lukas oder Markus?«
    »Weder noch. Lutz Gustav.«
    »Sind Sie morgen wieder hier?«, fragte Hartinger, als ihn der Beamte am Arm von seinem Tisch wegzog.
    »Ich bin immer hier«, antwortete der Professor, ohne zu Hartinger aufzusehen.
    »Viel hat sich nicht getan seit letztem Mittwoch. Die Spurensicherung war da. Und zwei Leute von der zuständigen Polizeiinspektion. Haben meine Aussage zu Protokoll genommen und das Überwachungsvideo kopiert. Das war’s in groben Zügen.« Dr. Dorothee Allgäuer kaute an einem Grissini herum.
    »Sie behandeln es also als ganz normalen Einbruch«, rekapitulierte Albert Frey, der ihr wieder einmal im Il Mulino gegenübersaß.
    »Und da muss ich wohl schon froh sein, das haben die mich jedenfalls die ganze Zeit über spüren lassen. Ein Mann steht in meiner Küche – na und? Könnte ja auch ein Gast sein. Keine Einbruchsspuren an Türen und Fenstern. Keine Fingerabdrücke. Nichts fehlt. Als ich sagte, es könnte vielleicht was aus dem Müll gestohlen worden sein, haben sie das nicht mal protokolliert. Als ich ihnen dann erklärte, was der Einbrecher unter Umständen hat mitgehen lassen, haben sie nur blöd gegrinst und gekichert. Ist natürlich auch eine seltsame Geschichte.«
    »Zugegeben, wenn ich Polizist wäre und eine junge Frau riefe mich an und würde sagen, ein Unbekannter habe ein gebrauchtes Kondom aus ihrem Mülleimer gestohlen, würde ich sicher auch eher auf geistige Verwirrung tippen.«
    »Na, großartig. Jetzt stecken die mich auch noch in die Klapse. So wird’s ausgehen. Dann ist wieder eine unbequeme Zeitgenossin aus dem Fall

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