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Herrgottschrofen

Herrgottschrofen

Titel: Herrgottschrofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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alten analogen Tachos – ihm zugestand.
    Er passierte Oberau wieder mit exakt fünfzig und rollte mit achtzig durch den Farchanter Tunnel. Die Uhr im Armaturenbrett zeigte Viertel nach drei, als er die Garmisch-Partenkirchner Ortsgrenze überquerte.
    Der Drang, die Verspätung möglichst gering zu halten, kollidierte mit seiner Angst, hinter dem Ortsschild mit siebzig geblitzt zu werden. Trotzdem ließ er den Volkswagen an der Polizeiinspektion Garmisch-Partenkirchen mit überhöhter Geschwindigkeit vorbeisausen, um direkt danach links in Richtung Berggasthof Panorama abzubiegen.
    Fünf Minuten später betrat Albert Frey den Nebenraum, in dem laut Auskunft der Bedienung der Chef Veit Gruber zusammen mit seinen Gästen tafelte.
    Die drei saßen allerdings nicht um einen Tisch herum, sondern standen vor drei riesigen Modellen, die im Raum aufgestellt worden waren. Eines stellte ein ziemlich verändertes Garmisch-Partenkirchner Eisstadion dar, das zweite ein Skistadion, das nur noch ein geübter Betrachter als solches erkennen konnte, und das dritte erstreckte sich beinahe bis zur Decke des Raumes und zeigte einen Berg, über den eine halb transparente Folie gespannt war.
    Die drei im Raum Anwesenden bemerkten Albert Frey nicht. Leise schloss er die Tür. Ein im Trachtenanzug vor Begeisterung schwitzender Veit Gruber erläuterte Jo Saunders und Martin Bruckmayer gerade seine Ausbaupläne für den »Immersportort«.
    »Nicht Sonne und Hitze werden noch länger die Synonyme für Urlaub sein, sondern Eis, Schnee und Kälte. Und da sind wir ja schon von Haus aus nicht schlecht. Unser Wetter ist ja nicht gerade besonders. Weder besonders gut, noch besonders schlecht. Beziehungsweise im Winter ist es oft zu gut und im Sommer zu schlecht. Also gut und schlecht nach den alten Kategorien, Sie verstehen. Unterm Strich hat unser Wetter aber ein großes Problem.« Gruber machte eine bedeutungsvolle Pause und schaute seine Zuhörer direkt an. »Es ist unberechenbar. Wir können dem Touristen weder Sonne im Sommer noch Schnee im Winter versprechen. Und daher drehen wir das jetzt um. Wir versprechen Schnee im Sommer und Sonne im Winter. Mit der Überdachung des Skistadions und des Gudibergs sind wir weltweit die Einzigen, die echte Eis- und Schneelandschaften bieten können. Mehr als nur eine Skihalle in Abu Dhabi. Echten Winter auf echten Bergen. Und als zentralen Anziehungspunkt, als Vereinigung von Sport, Kunst und Kultur, sehr geehrte Frau Saunders – Ihre Show ›Paradise on Ice‹, die wir hier ganzjährig bieten werden. Dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr, mindestens zwei Vorstellungen am Tag. Die Welt wird auf Garmisch-Partenkirchen schauen. Auf Garmisch-Partenkirchen, auf ›Paradise on Ice‹ – und auf Jo Saunders, gnä’ Frau. Und die Gäste erst, die dieses Winterwunderland genießen werden, die internationale Hautevolee … Chinesen. Japaner. Amerikaner. Araber. Juden. Geldige Leute, Sie verstehen. Garmisch-Partenkirchen wird eine Blüte wie vor dem Krieg erleben. Grandhotels werden gebaut und natürlich auch Unterkünfte für das Fußvolk, ist ja klar, wir brauchen ja auch die normalen Besucher, wir brauchen ja auch eine gewisse Masse, Sie verstehen.«
    »Juden und Araber? Da bin ich kritisch, mein lieber Gruber. Muss das sein, ausgerechnet bei uns?«, warf Martin Bruckmayer ein.
    Veit Gruber überging die Unterbrechung. »Masse, aber mit Sinn und Verstand ausgewählt. Unten ein Grundrauschen. Darauf die guten Gäste. Es fühlt sich ja auch kein Reicher wohl, wenn er unter Reichen ist. Das ist ja furchtbar. Auf wen will er dann herabschauen. Dann hat er ja den ganzen Tag nur Angst, dass die anderen Reichen reicher sind als er. Also, wir brauchen da schon auch Mittelschicht. Die kommt wiederum, wenn die Oberschicht da ist, weil sie sich dann in deren Nähe spürt und meint dazuzugehören. Schauen Sie sich Kitzbühel an, wie geschickt die das gemacht haben. Da rennen ohne Ende billige Flitscherl mit Louis-Vuitton-Tascherl rum und meinen, sie gehörten dazu. Einen Dreck tun sie. Zur Bespaßung der Reichen sind die da. Und danach werden sie wieder aussortiert. Ja, ist doch so.«
    »Und solche Zustände wollen Sie an unserem Ort?«, fragte Martin Bruckmayer und klang geradezu empört. »So ein Russengeschmeiß und was weiß ich? Da werden Sie aber Probleme bekommen. Sind eh schon genug da. Muss man ja schaun, wie man denen Herr wird.«
    Veit Gruber versuchte die Einwürfe des Einheimischen mit einem

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