Herrgottschrofen
geht’s nicht!«, begrüßte ihn der aufgeregte Chef des Hotel- und Gaststättenverbandes. »Du musst was machen! Wir sind ein sauberer Ort. Unser guter Ruf wird so was von durch den Dreck gezogen, da kommen wir nie mehr raus! Was machen deine Pressefritzen und PR-Agenturen?«
Der Sprecher der Werbegemeinschaft knallte ihm einen Stapel Zeitungen vor die Nase. »Der Mädchenmörder von Garmisch: Geht er immer noch um?«, titelte die BILD, die ganz oben auf dem Stapel lag.
Hans W. Meier war beinahe froh, dass sich seine Mitbürger nur über den Mord an Svetlana Ryschankawa echauffierten. Sie hätten ihm die Haut in Streifen abgezogen und ihn auf dem Spanferkelgrill des Bräustüberl langsam geröstet, hätten sie gewusst, was in wenigen Jahren in einem Kilometer Luftlinie hinter dem Bräustüberl im Kramertunnel passieren sollte. Wenn es nach der Bayerischen Staatsregierung und dem Bagger-Toni ging. Der hatte natürlich an diesem Abend Besseres zu tun, als sich am Garmischer Bürgermeisterstammtisch seine Zeit zu vertreiben, bemerkte Meier. Er tüftelte sicher wieder irgendwo an der nachhaltigen Verschandelung des Ortes, grollte es in seinem Inneren.
»Beruhigts euch doch bitte endlich. Ich will erst einmal ein Bier. Das ist ja unglaublich, ihr führts euch ja auf wie ein Haufen Schulmadl, wenn in der Bravo ein Starschnitt vom Brad Pitt erscheint.«
»Mach du dich nur lustig. Dein Gehalt ist ja sicher. Du stehst ja nicht vor einem leeren Hotel, wenn bald niemand mehr in unser Tal kommt, weil da ein Mädchenmörder umanandarennt. Wo wir doch gerade auch auf den Nordic-Walking-Trend aufgesprungen sind. Da traut sich doch keine Touristin mehr in den Wald!« Der Hotellerieboss bekam rote Flecken am Hals.
Endlich kam die Bedienung Anni und stellte das Alkoholfreie auf den Bierdeckel vor Bürgermeister Meier. Der nahm einen tiefen Schluck, tat so, als wäre das Zeug das Beste, was er jemals zu trinken bekommen hatte, und wischte sich volksnah mit dem Handrücken den Schaum von den Lippen. »Jetzt sag ich euch amal was. Ich habe wirklich eine super PR-Truppe da in München. Und wissts, was die sagen? Die sagen: Am allerbesten nichts machen. Jede Meldung von uns gibt der Journalistenmeute nur einen neuen Anlass, wieder über den Fall zu schreiben. Nach einer Woche redet kein Mensch mehr drüber, da treiben die schon längst eine neue Sau durchs Dorf. Und zwar durch ein anderes, nicht durch unseres.«
Der Gewerbechef ließ nicht locker. »Was redst denn da? Das ist jetzt schon länger als eine Woche her, Hansi. Du zahlst also die teure Münchner Agentur von unserem Geld fürs Nichtstun? Ich hätt geglaubt, das könnts ihr selber auch recht gut!« Die Runde lachte zustimmend und prostete sich zu.
»Ihr werds es schon sehen, in ein paar Tagen redet keiner mehr von dem Fall. Außerdem ist ja mit dem Hartinger ein Hauptverdächtiger bereits festgenommen. Ist doch eine Frage von Stunden und Tagen, bis der zusammenbricht und gesteht.«
»So, der Hartinger? Zusammenbrechen?« Die Stammtischler waren sich da nicht so sicher.
»Warts es ab. Wo ist eigentlich der Brechtl Toni? Um welchen Scheiß kümmert der sich denn heut Abend anstatt um uns?«, lenkte der Bürgermeister das Thema auf seinen neuen Lieblingsfeind.
»Hat sich bei uns nicht abgemeldet«, kam es aus der Runde.
»Mei, der hat wahrscheinlich wirklich was anderes zu tun.« Der Bürgermeister wurde ernst. »Hoffentlich geht’s ihm nicht nass nei mit dieser vermaledeiten Tunnelausschreibung. Hab ich euch ja schon erzählt, dass da mit ganz harten Bandagen vorgegangen wird. Die osteuropäische Konkurrenz bietet da mit. Die baggern für die Hälfte von den bei uns üblichen Preisen. Wenn der Toni den Auftrag nicht bekommt, dann wird’s mir angst und bang um ihn, das sag ich euch. Also, bitte, ganz im Vertrauen. Muss natürlich an diesem Tisch bleiben. Aber er hat sich wohl schon die Maschinen bestellt für den Tunnel. Riesige Kieslaster und auch ein paar Spezialmaschinen. Für etliche Millionen. Und außerdem …« Meier wurde ganz leise, sodass seine auf einmal mucksmäuschenstillen Zuhörer mit den Köpfen über der Tischplatte zusammenrücken mussten. »Außerdem soll er sich ziemlich mit Aktien verhauen haben. Ist ja auch kein Wunder, so wie’s zurzeit an den Weltmärkten rauf- und runtergeht. Aber bitte, muss wirklich unter uns bleiben. Ich hab nix gsagt. Aber offene Rechnungen würde ich schnell bei ihm einkassieren. Ich hoffe ja, dass er das alles
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