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Herrgottswinkel

Herrgottswinkel

Titel: Herrgottswinkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Ziegler
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Alpe, damit sie in ihrem Zimmer, das sie inzwischen jeden Abend gewissenhaft von innen absperrte, wieder ruhig schlafen konnte. Meist stellte sie zusätzlich noch einen Stuhl mit der Lehne unter den Türgriff, damit ja nichts passieren konnte. Besonders nach seinen Wirtshausbesuchen berührte er sie viel zu oft oder strich ihr mit der Hand über Haar und Gesicht, als dass es Zufall sein konnte. Manchmal hielt er sie an der Taille fest, nur um festzustellen, »ob sie noch dünner geworden sei«, oder er drängte sich am Herd ganz dicht an sie. Johanna entwickelte regelrecht Ekel vor diesem Mann, von ihrer Angst ganz zu schweigen – denn aus Scham wagte sie es nicht, mit ihrer Mutter über diese Vorfälle zu sprechen.

DRITTES KAPITEL
    Als Johanna mit dreizehn die Volksschule verließ, bat sie ihre Mutter, in einen großen Haushalt gehen zu dürfen, um den Umgang mit Kindern zu erlernen. Zufällig wurde gerade zu dieser Zeit in Hüttenberg jemand gesucht, der bei der Familie Besler, einer vielköpfigen und sehr gläubigen Familie, im Haushalt helfen und die Kinder mit betreuen sollte. Frau Besler war seit der Geburt ihres zwölften Kindes sehr geschwächt und brauchte daher dringend Unterstützung.
    Es fiel Anna nicht leicht, ihr einziges Kind so früh aus dem Haus gehen zu lassen, doch die Vernunft gab letztendlich den Ausschlag und sie stimmte schweren Herzens zu. Johanna lebte sich bei ihrer neuen Familie schnell ein, die Kinder himmelten sie an und auch sie selbst schien an diesem Ort körperlich und seelisch aufzublühen. Hier wuchs sie in den nächsten Jahren zu einer besonnenen jungen Frau heran.
    An den Sonntagnachmittagen unternahm sie meist einen ausgedehnten Spaziergang mit den Kindern. Dabei führte sie ihr Weg anfangs zufällig, dann immer häufiger an einem Haus in Westerhofen vorbei, vor dem um diese Tageszeit immer ein junger Bursche im Garten oder im Stall bei der Arbeit anzutreffen war. Die ersten Male grüßten sie sich lediglich, doch später blieb Johanna meist für eine Weile dort stehen, während die Kinder auf dem Weg Fangen spielten, und die beiden kamen über Dinge wie das Wetter oder die Sonntagspredigt ins Gespräch. Der junge Mann, sein Name war Engelbert Bietsch, lebte nicht nur allein in diesem Haus, sondern sah selbst dann noch gut aus, wenn er schweißüberströmt und schmutzig im Gartenbeet wühlte. Er war sehr groß, hatte lockiges, dunkelbraunes Haar und eine Nase, die gekrümmt war wie die eines Adlers. Unter dem Blick seiner leuchtend blauen Augen fiel es Johanna schwer, nicht zu erröten, und sie meinte ihren Herzschlag bis in die Kehle hinauf zu spüren, wenn er sie fröhlich lachend begrüßte. Inzwischen war sie achtzehn und zu einer hübschen Frau herangewachsen mit ihrem schmalen Gesicht und den Haaren, die schwarz wie die Nacht waren. Den hellen Teint und die braunen Augen hatte sie von ihrer Mutter geerbt, genau wie die zierliche Figur.
    Nach kurzer Zeit hatte Engelbert Bietsch herausgefunden, wo Johanna zu Hause war, und da er die Familie Besler kannte, kam er nun mehrmals die Woche von Westerhofen nach Hüttenberg hoch, um Werkzeug auszuleihen. Ein an deres Mal musste er mit dem alten Besler unbedingt ein neues Drainagesystem für die Jauchegrube besprechen, weil die B’schitte bei ihm in Westerhofen unglücklicherweise in die Wiese einsickerte. Die Beslers lachten inzwischen schon, wenn sie ihn auftauchen sahen, denn natürlich hatten sie mitbekommen, was beziehungsweise wer der wahre Grund seiner häufigen Besuche war. Sie ließen sich aber nichts anmerken, und Johanna freute sich, dass sie auch ihr gegenüber nie ein Wort über den hartnäckigen Verehrer verloren.
    Völlig unerwartet erreichte Johanna eines Tages in Hüttenberg die Nachricht vom Tod ihres Stiefvaters. Der Arzt hatte ihm wegen seines schwachen Herzens Alkohol schon vor längerem strikt verboten gehabt, doch das hatte ihn nicht interessiert – und nun war die letzte Maß Bier wohl auch wirklich eine zu viel gewesen. Ein Herzschlag hatte ihn über Nacht hingestreckt und er war nicht wieder aufgestanden. Bis zu seinem Ende hatte er allerdings noch die Kraft gehabt, ihrer Mutter schwer zuzusetzen. Gerade einige Tage zuvor war Johanna bei einem Besuch einmal mehr Zeugin einer häss lichen Auseinandersetzung zwischen den beiden geworden. Sie war dankbar, dass sie von diesen Dingen in Hüttenberg nichts mehr mitbekam, und auch ihre Mutter schien mittlerweile gänzlich mit Anton abgeschlossen zu haben.
    »In

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