Herrin der Falken - 3
klingt vernünftig, wie du das sagst, aber –«, sie brach ab und würgte das Schluchzen hinunter. Jandria legte ihr liebevoll die Hand auf den Arm.
»In diesem Wald leben Tiere, die von totem Fleisch als Nahrung abhängen. Sollen sie hungern, Romy? Das ist nur Sentimentalität. Du fühlst keinen Schmerz, wenn dein Falke seine Beute tötet.«
Romilly mit ihren aufgewühlten Empfindungen faßte es so auf, als werfe Jandria ihr ihre Unaufmerksamkeit vor. Sie hatte mit ihrem Falken das Schlagen der Beute geteilt und so ihr Pferd in den Tod geführt! Deshalb riß sie sich von Jandria los und stellte bitter fest: »Mir bleibt ja keine andere Wahl, oder? A ves ordres, mestra.«. Sie zerrte an der Last des anderen Chervines. Schmerzend, anklagend stieg die Erinnerung an die Kundschaftervögel in ihr auf, für die sie nach Aas ausgespäht hatte. Jetzt fiel ihr Pferd den Kyorebni zur Beute, und vielleicht war das so, wie es sein sollte. Trotzdem ertrug sie es nicht, das zu sehen, denn ihre Nachlässigkeit hatte dem treuen Geschöpf das Leben gekostet.
Trostsuchend blickte sie zum Himmel auf, doch Preciosa war nirgendwo zu sehen.
Vielleicht hat auch sie mich verlassen,..
Gegen Abend veränderte sich das Land. Die grünen Felder wichen sandigen Hochebenen, und die Wege waren aus hartgebackenem Lehm. Die Chervines, Geschöpfe des Waldes und der Berge, trotteten langsam dahin. Kleine Rinnsale von Schweiß zogen senkrechte Linien durch ihr dickes Fell. Romilly wischte sich die Stirn mit dem Ärmel, zog den warmen Mantel aus und band ihn als Bündel an ihren Sattel. Die Sonne mußte hier stärker sein, und sie flammte in wolkenloser Heftigkeit von einem klaren, blassen Himmel. Es wurde dämmerig, als Jandria nach vorn zeigte.
»Da liegt Serrais. Heute nacht werden wir im Haus der Schwesternschaft schlafen und vielleicht zehn Tage dort bleiben. Ich freue mich darauf, wieder einmal in einem richtigen Bett zu liegen – du nicht?«
Romilly stimmte ihr zu, aber insgeheim war sie traurig, daß die lange Reise ihr Ende fand. Sie hatte Jandria liebgewonnen, und der Gedanke, mit einem Haus voller fremder Frauen leben zu müssen, schreckte sie. In einer regulären Niederlassung der Schwesternschaft würde sie wohl auch wieder an dem fürchterlichen Unterricht im Fechten und im waffenlosen Kampf teilnehmen müssen.
Nun, sie hatte sich der Schwesternschaft aus freien Stücken verpflichtet, jetzt mußte sie an dem Platz im Leben, an den die Vorsehung sie geführt hatte, ihr Bestes tun. Lastenträger, hilf mir, meine Bürde zu tragen, wie du das Gewicht der Welt trägst! Und dann wunderte sie sich über sich selbst. Sie erinnerte sich nicht, früher viel über das Gebet nachgedacht zu haben, und jetzt suchte sie dauernd bei solchen kleinen Gebeten Zuflucht. Ob es das ist, was das Buch der Bürden Dhe shaya, eine Gnade Gottes, nennt, oder ist es nur eine Art von Schwäche, die aus der Einsamkeit geborene Vorstellung, daß ich niemand anders habe, an den ich mich wenden kann? Jandria war ihre Freundin, aber sie teilte ihre Ängste nicht. Das Leben in der Schwesternschaft gefiel ihr, und sie entsetzte sich nicht bei dem bloßen Gedanken an Kriege und Schlachten. Dinge wie das vom Knochenwasser-Staub verseuchte Dorf riefen bei ihr Zorn und Entrüstung hervor, und doch erschütterten sie sie nicht auf diese Weise. Janni schien ganz frei von solchen persönlichen Ängsten zu sein!
Im Dunkeln ritten sie in die Stadt ein. Es ging die merkwürdig breite Straße hinunter, vorbei an alten Häusern aus gebleichtem Stein, die im Mondlicht blaß schimmerten. Romilly schlief fast im Sattel und verließ sich auf ihr sicher dahintrottendes Chervine. Sie wurde ein bißchen wach, als Jandria vor einem großen Torbogen haltmachte und an einem Glockenstrang zog. Das Läuten war drinnen weit entfernt zu hören. Nach einer Weile fragte eine müde Stimme: »Wer ist da?«
»Zwei Frauen der Schwesternschaft, von Hali kommend«, rief Janni. »Jandria, Schwertfrau, und Romilly, Schwertfrau-Lehrling, eidgebunden. Wir suchen Obdach hier.«
Die Tür öffnete sich quietschend. Eine Frau lugte auf die Straße hinaus.
»Kommt herein, Schwestern«, sagte sie. »Bringt die Tiere in den Stall dort. Wenn ihr möchtet, könnt ihr ihnen Futter vorwerfen. Wir sind alle beim Abendessen.« Sie wies auf einen Stall innerhalb der Ummauerung. Sie stiegen ab und führten die müden Tiere hinein. Romilly blinzelte in das schwache Laternenlicht. Der Raum war nicht groß, aber die
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