Herrin der Falken - 3
ihm begreiflich machen, wie Rakhal ist, und ich ebensowenig. Carolin glaubte, Orain sei nur eifersüchtig. Eifersüchtig, Orain!«
»Wie ist Rakhal denn?« wollte Romilly wissen, Jandria schüttelte nur den Kopf.
»Ich kann nicht objektiv über ihn sprechen; mein Haß macht mich blind. Aber wo Carolin mehr als alles andere die Ehre liebt und danach das Wissen und sein Volk, liebt Rakhal nur den Rausch der Macht. Er ist wie eine Bergkatze, die Blut geleckt hat.« Sie stieg in den Sattel. »Heute wirst du den Zügel des Packtiers nehmen. Ich reite voraus, denn ich kenne den Weg.«
Als sie aus dem Wald herauskamen, hatte Romilly wieder das vage Gefühl, beobachtet zu werden. Es mußte Preciosa sein. Der Falke kam nicht auf ihre Hand, aber ein- oder zweimal erhaschte Romilly einen Blick auf den hoch am Himmel schwebenden Vogel und wußte, sie war nicht allein. Bei dem Gedanken wurde ihr so warm ums Herz, daß Angst und Besorgnis von ihr abfielen.
Sie und ich sind eins: Sie hat ihr Leben mit dem meinen verbunden. So ungefähr mußte eine Ehe sein, unlösbar, ein Band, das in Leib und Seele des anderen tief verankert war. Mit dem Pferd, das sie augenblicklich ritt, fühlte sie sich nicht eins. Doch es hatte sie treu getragen, und sie meinte es gut mit ihm und kümmerte sich um sein Wohlergehen.
Das Pferd ist mein Freund. Preciosa ist etwas anderes, so etwas wie ein Liebhaber.
Und das brachte sie dazu, scheu und beinahe zum ersten Mal darüber nachzudenken, wie es sein mochte, einen Liebhaber zu haben, ihr nahe wie der Falke, im Geist und im Herzen und auch im Körper. Es würde jemand sein, mit dem sie kommunizieren konnte, nicht so, wie die MacArans es mit ihren Pferden, Hunden und Falken taten, über den weiten Abgrund hinweg, der zwischen Mann und Pferd, Frau und Falken, Kind und Hund lag, sondern mit dem Verständnis für die arteigene Spezies. Dom Garris hatte sie begehrt, aber seine lüsternen Blicke hatten in ihr nichts als Abscheu hervorgerufen. Doppelten Abscheu hatte sie vor Rory empfunden, der ihr ihres Pferdes und Mantels und der paar Kupfermünzen wegen ohne Bedenken die Kehle durchgeschnitten hätte und doch mit ihr schlafen wollte.
Orain hatte Verlangen nach ihr gehabt – wenigstens so lange, wie er sie für einen Jungen hielt. Und… sie gestand sich etwas ein, das ihr damals nicht ganz klar gewesen war… sie hatte Verlangen nach ihm gehabt. Nur hatte sie, als es geschah, nicht erkannt, was ihre eigenen merkwürdigen Gefühle bedeuteten. Trotzdem hätte sie Orain lieber zum Freund als zum Liebhaber gehabt. Sie war bereit gewesen, sich ihm hinzugeben, als sie glaubte, er habe sie durchschaut und begehre sie als Frau, um ihn als Freund zu behalten. Hatte sie niemals ernsthaft an einen bestimmten Mann gedacht? Bestimmt nicht an die Jungen, mit denen sie aufgewachsen war, die Freunde ihrer Brüder. Sie konnte sie sich ebensowenig als Liebhaber wie als Ehemänner vorstellen, und ein Ehemann war das letzte, was sie sich wünschte.
Ich glaube, ich hätte jemanden wie Alderic heiraten können. Er sah in mir ein menschliches Wesen, nicht nur die dumme kleine Schwester seines Freundes Darren, Auch würde er sich nie einbilden, er müsse jeden Schritt von mir überwachen, damit ich nicht wie ein ungezähmter Falke, dem man die Fesseln löst, wegfliege.
Nicht etwa, daß ich ihn mir als Ehemann wünsche. Aber vielleicht könnte ich mich zum Heiraten entschließen, wenn der Mann zuerst mein Freund würde.
Diesen ganzen Tag und den nächsten sah sie, wann immer sie nach oben blickte, Preciosa am Himmel schweben und stand mit ihr in einem fadendünnen Rapport. Sie sah auf seltsame Weise doppelt, sie sah den Pfad unter den Hufen des Pferdes und war sich ihres Körpers im Sattel bewußt, und doch flog ein Teil von ihr frei mit dem Falken hoch über Berg und Tal. Jandria hatte ihr erzählt, daß sie sich jetzt in den Kilghardbergen befanden. Sie waren nicht wie ihre heimatlichen Berge, sondern nackt und kahl mit hohen Felsen und kargem Boden, von dem jedes bebaubare Fleckchen der Nahrung wegen kultiviert werden mußte. Noch weniger glichen sie den weiten, fruchtbaren Ebenen von Valeron, die sie unterwegs nach Hali durchquert hatten. Das hier waren hohe, steile Berge, menschenleere Wildnisse mit jungfräulichem Urwald, manchmal zugewachsen mit dichtem Unterholz, so daß sie sich einen Weg freischlagen und manchmal auch mühsam umkehren und einen Umweg machen mußten. Aber an jagdbarem Wild gab es keinen Mangel.
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