Herrin der Falken - 3
beiden Pferche an der Rückwand waren gedrängt voll von Pferden, und darunter solche von edelster Rasse. Was war das für ein Haus, und warum zwängte man so viele Pferde in einen so kleinen Stall? Romilly war voll von Fragen, aber zu schüchtern, um auch nur eine davon zu stellen. Sie brachte ihr Chervine in eine der kleineren Boxen und Jandrias Pferd in eine andere, schulterte ihren Packen und folgte der fremden Frau ins Haus.
Es roch gut nach frischgebackenem Brot und nach einem fremdartig gewürzten gekochten Gericht. In einem langen Saal gleich hinter der Eingangshalle, wo sie ihre Bündel abgelegt hatten, saßen an zwei langen Tischen dicht bei dicht wohl vier oder fünf Dutzend Frauen. Das Klappern von Geschirr und die lauten Gespräche von einem Tisch zum anderen und von einem Ende des Raums zum anderen erzeugten einen solchen Lärm, daß Romilly unwillkürlich zusammenzuckte. Nach der Stille in Wald und Wildnis machte das Getöse sie beinahe taub.
»Da unten sind noch zwei Plätze frei«, sagte die Frau, die sie eingelassen hatte. »Ich bin Tina. Nach dem Abendessen bringe ich euch zur Hausmutter, und sie kann irgendwo Betten für euch auftreiben. Wir sind ein bißchen überfüllt, wie ihr seht. Anscheinend hat man die Hälfte der Schwesternschaft bei uns einquartiert, wobei ich hinzufügen muß, daß man uns auch Armee-Rationen geschickt hat, um sie zu ernähren. Andernfalls müßten wir alle von den Nüssen des letzten Jahres leben! Setzt euch und eßt – ihr müßt hungrig sein nach diesem langen Ritt.«
Es sah gar nicht so aus, als sei an dem bezeichneten Tisch noch der geringste Platz. Aber Jandria entdeckte eine Stelle, wo die Frauen nicht ganz so eng saßen, und mit Hilfe von ein bißchen freundschaftlichem Drängeln quetschten sie sich mit auf die Bank. Eine Frau, die mit einem Krug und einem Schöpflöffel um die Tische die Runde machte, tat ihnen Suppe in ihre Näpfe und zeigte auf einen angeschnittenen Laib Brot. Romilly zog das Messer aus dem Gürtel und säbelte zwei dicke Scheiben ab. Die Frau, die neben ihr eingezwängt war – ein gutmütiges Mädchen mit Sommersprossen und dunklem Haar, das im Nacken zusammengebunden war – schob ihr einen Topf mit einem Fruchtaufstrich zu. »Butter ist im Augenblick knapp, aber das hier schmeckt recht gut auf dem Brot. Laß den Löffel im Topf.«
Der Aufstrich schmeckte wie gewürzte Äpfel, die zu einer Paste eingekocht sind. Die Suppe enthielt nicht identifizierbare Fleischstücke und unbekannte Gemüse. Romilly hatte Hunger und aß, ohne sich viel darum zu kümmern, was es war.
Als sie mit der Suppe fertig war, sagte ihre Nachbarin: »Mein Name ist Ysabet; die meisten Leute nennen mich Betta. Ich bin von unserm Haus in Thendara hergekommen. Und ihr?«
»Wir waren in Hali und davor in Caer Donn«, antwortete Romilly. Betta machte große Augen. »Wohin der König geflohen ist? Habt ihr seine Armee gesehen?«
Romilly nickte. Sie dachte an Orain und ein Banner auf einer fremden Straße.
»Carolin lagert nördlich von Serrais«, erzählte Betta, »und bevor Schnee fällt, will er auf Hali marschieren. Das Lager ist voll von Gerüchten, doch dies wird am nachdrücklichsten behauptet. Auf welchem Gebiet arbeitest du?«
Romilly schüttelte den Kopf. »Auf keinem besonderen. Ich trainiere Pferde und manchmal Falken, und ich habe für Kundschaftervögel gesorgt.«
»Uns wurde gesagt, es käme eine Expertin für das Trainieren von Pferden aus Hali!« rief Betta. »Das mußt du sein, wenn es nicht deine Freundin ist – wie heißt sie?«
»Das ist Jandria«, gab Romilly Auskunft. Betta staunte.
»Lady Jandria! Von ihr habe ich gehört, wenn es die ist, die eine Cousine Carolins sein soll. Ich weiß, wir sollen nicht an den Rang denken, aber ich sehe, daß sie rote Haare und ein HasturGesicht hat. Also, es hieß, aus Hali kämen eine Schwertfrau und eine erfahrene Pferdetrainerin. Die brauchen wir auch, hast du all die Pferde im Stall gesehen? Und noch viel mehr sind in der Koppel, und sie wurden von dem Alton-Land in den Kilghardbergen ausgehoben… und nun müssen sie für Carolins Armee eingebrochen werden, damit die Schwesternschaft auf ihnen in die Schlacht reiten kann… für Carolin, unsern wahren König…« Sie musterte Romilly forschend. »Du bist doch für Carolin, oder?«
»Ich bin von vor Sonnenaufgang bis nach Dunkelwerden geritten, heute und die letzten sieben Tage«, erwiderte Romilly. »Inzwischen weiß ich kaum noch meinen eigenen Namen, ganz zu
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