Herrin der Falken - 3
von mir will, halbwegs höflich sein, sogar zu einer Frau? Der Zorn ließ sie kühl antworten:
»Darüber müßt Ihr mit meinen Vorgesetzten in der Schwesternschaft sprechen, vai dom. Ich bin erst Lehrling und kann nicht bestimmen, was ich tun will.«
»Oh, ich glaube, Jandria wird uns deswegen keinen Ärger machen«, lächelte Orain. »Die Schwesternschaft wird uns dich ausleihen, da habe ich gar keine Sorge.«
Romilly verbeugte sich stumm. Sie dachte: Nicht, wenn ich etwas dabei zu sagen habe.
Im Licht der untergehenden Sonne ritten sie in die Stadt zurück. Der Himmel war klar und wolkenlos. Romilly hatte nie aufgehört, die abendlichen Regen- oder Graupelschauer der Berge zu vermissen. Das Land hier kam ihr immer noch trokken, ausgedörrt, unwirtlich vor. Jandria machte Versuche, über die Armee und die Landschaft zu plaudern. Sie zeigte Romilly das Große Haus von Serrais auf einer kleinen Erhöhung, wo die Hastur-Sippe sich niedergelassen hatte wie in Thendara und Hali und Aldaran und Carcosa in den Bergen. Aber Romilly blieb einsilbig und war in ihre eigenen Gedanken versunken.
Ruyven ist nicht mehr der Bruder, den ich kannte. Wir können freundlich miteinander sein, aber unsere alte Verbundenheit ist für immer verschwunden. Ich hatte gehofft, er werde mich verstehen, die Konflikte verstehen, die mich von Falkenhof wegtrieben – sie gleichen seinen eigenen Beweggründen. Früher konnte er mich einfach als Romilly sehen, nicht als seine kleine Schwester. Heute… heute sieht er nichts anderes mehr, als daß ich eine Schwertfrau, eine Falkenmeisterin geworden bin. Sonst nichts.
Als ich Falkenhof verloren hatte, Vater, Mutter, Heimat – da dachte ich, wenn ich Ruyven wiederfände, würde es zwischen uns so sein wie damals, als wir Kinder waren. Nun ist auch Ruyven für immer von mir gegangen. Ich habe nichts mehr, nichts als einen Falken und meine Geschicklichkeit mit dem Schwert und mit den Tieren. Im Haus der Schwesternschaft war das Abendessen längst vorbei. Einige der Frauen besorgte ihnen etwas zu essen aus der Küche. Schweigend suchten sie ihre Betten auf. Auch Jandria gab sich Gedanken hin, die, wie Romilly sich sagte, ebenso bitter wie ihre eigenen sein mußten.
Verdammt sei dieser Krieg! Ja, das ist es, was Ruyven gesagt hat, und Orain auch. Vielleicht hat Vater doch recht gehabt. Was kommt es darauf an, welcher große Schurke auf dem Thron sitzt oder welcher größere Schurke ihn hinunterzustoßen versucht?
Jeden Tag arbeitete Romilly zuerst mit den anderen Pferden, die, weil nicht so intelligent, einfacher zu behandeln waren; sie hatten weniger Initiative. Sonnenstern hob sie sich als Belohnung für das Ende eines langen Vormittags auf, an dem sie ihre Helferinnen beaufsichtigt und persönlich die Gangarten der Tiere und die Zeit, die sie bis zur Gewöhnung an Sattel und Zaumzeug brauchten, kontrolliert hatte. Sie wußte, daß sie nur eine von mehreren Pferdetrainern der Armee in Serrais war, die Carolin die Reittiere für seine Kavallerie liefern sollten. Manchmal sah sie den einen oder anderen auf der Ebene vor der Stadt Serrais bei der Arbeit. Aber sie wäre ein Dummkopf gewesen, wenn sie nicht erkannt hätte, daß ihre Pferde am schnellsten und am besten ausgebildet wurden. Jetzt ging sie gegen Ende eines langen Vormittags in ihrem kleinen Herrschaftsbereich umher. Für jedes ihrer Pferde hatte sie einen Klaps und eine Berührung der Nase und einen seligen Augenblick emotionalen Rapports. Sie liebte jedes einzelne, und bittersüß war das Wissen, daß sie sich bald von ihnen trennen mußte. Aber jedes Pferd würde einen Teil von ihr mit sich nehmen, wohin Carolins Armee auch reiten mochte. Berührung auf Berührung, die Umarmung eines glatten Halses und das Streicheln einer samtigen Nase, und jeder Augenblick des Rapports dehnte ihren Wahrnehmungsbereich weiter und weiter aus, bis ihr schwindelte von dem Gefühl, im Sonnenschein dahinzurasen, auf vier Beinen, nicht auf zweien, mühelos den Reiter zu tragen, der sein eigenes Entzücken empfand. Am Rande ihres Bewußtseins tauchte der Gedanke auf, daß diese Tiere, die ihren Reiter trugen, etwas von der höheren Wahrheit des Lastenträgers wußten, der, wie es in den Schriften des Heiligen Valentin heißt, allein das Gewicht der Welt trägt. Romilly war der Reihe nach jedes Pferd, tauchte ein in seine Widerstände, seine Disziplin und seinen Gehorsam, in das Gefühl vollkommener Einheit von Wunsch und Pflicht. Verschwommen dachte sie:
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