Herrin der Falken - 3
eigentlich nicht an. Sie würden immer einer Teil des anderen bleiben. Denn nun wurde sie die Falkenmeisterin von Carolins Armee – sie dachte nicht darüber nach, woher sie das wußte –, und wie Sonnenstern mußte sie den ihr zugemessenen Teil vom Gewicht der Welt tragen. Sie antwortete: »Danke, Clea. Und danke für alles, für das, was du mich gelehrt hast.«
»Romy, wie deine Augen leuchten! Es war eine Freude, dich zu unterrichten. Es ist mir immer eine Freude, jemanden zu unterrichten, der so gut und schnell lernt.« Clea umarmte sie spontan. »Es tut mir leid, dich zu verlieren. Ich hoffe, du kehrst eines Tages in unser Haus zurück, doch wenn nicht, werden wir uns anderswo wieder begegnen. Schwertfrauen sind ständig unterwegs, und irgendwo auf den Straßen der Hundert Königreiche werden sich unsere Wege schon kreuzen.«
Romilly küßte sie voll echter Freundschaft.
Dann ging sie ins Haus und packte ihre wenigen Besitztümer zusammen.
In der Halle fand sie Jandria, fertig zum Reiten. Auch sie trug einen zusammengerollten Packen mit ihrer Habe. »Ich habe Sonnenstern hinausbringen lassen«, sagte Jandria. »Die anderen Pferde werden später am Tag ins Lager gebracht. Du hast soviel Zeit und soviel Liebe auf diesen Hengst verwendet, daß ich fand, dir steht das Privileg zu, ihn König Carolin selbst zu übergeben.«
Es ist also schneller gekommen, als ich dachte. Aber nach diesem Morgen werden Sonnenstern und ich immer eins sein. Er war gar nicht erfreut über den Leitzügel. Romilly hätte ihn gern geritten, nur schickte sich das nicht, wenn das Pferd dem König übergeben werden sollte. Sie beschwichtigte ihn mit sanften Worten und mehr noch mit der Wiederaufnahme des Kontakts. Geleitet von überströmender Zärtlichkeit und gutem Zureden, kam er gehorsam mit.
Du wirst das Reittier eines Königs sein, wußtest du das, mein Schöner?
Es bedurfte keiner Worte zwischen ihnen. Sonnenstern wußte nichts von Königen, und so bedeutete ihm Romillys Zusicherung nichts. Wahrscheinlich würde er lernen, Carolin zu lieben und ihm zu vertrauen. Doch nie wieder würde jemand ihn reiten, der so ganz eins mit ihm war wie sie. Mitleid mit Carolin überkam Romilly. Der schöne schwarze Hengst mochte sein Eigentum sein. Aber in Sonnensterns wie in ihrem Herzen würde er immer ihr gehören.
5.
Im Lager der Armee machte sich heute eine andere Stimmung bemerkbar. Eine Gruppe von Männern riß das große zentrale Zelt ab, vor dem das Hastur-Banner geflattert hatte, und kreuz und quer zwischen den Zeltreihen herrschte Betrieb. Romilly ließ Sonnenstern bei Jandria und den anderen, die gekommen waren, um ihr mit dem Hengst zu helfen, und eilte zu der Unterkunft der Vogelpfleger. Ruyven hantierte dort mit den Blocks herum, die für die Kundschaftervögel auf Packtieren befestigt werden sollten. Die Chervines mochten den Aasgeruch nicht, der den Vögeln anhaftete. Sie stampften nervös, gaben kurze, schnaubende Laute von sich und schlugen mit den Hufen.
»Es sieht ganz so aus«, bemerkte Romilly, »als werde die Armee nach Süden marschieren und ich mit euch kommen.«
Ruyven nickte. »Ich allein kann nicht für drei Vögel sorgen und sie fliegen lassen, und innerhalb von hundert Meilen gibt es sonst keinen Menschen, der für den Umgang mit Kundschaftervögeln qualifiziert ist – ausgenommen, Gott helfe uns, diejenigen, die sich unter Rakhals Pfadfindern oder bei seiner Vorhut befinden mögen. Aus Hali kam die Nachricht, daß Rakhal seine Truppen unter Lyondri Hastur zusammenzieht. Wenn er den Weg einschlägt, den wir vermuten und das wird in gewissem Ausmaß davon abhängen, wie gut du und ich die Augen unserer Vögel benutzen –, werden wir nahe Neskaya in den Kilghardbergen auf ihn treffen. Lord Orain hat übrigens gefragt, ob wir die Vögel heute auflassen und versuchen könnten, etwas auszuspähen.«
»Und wenn Orain spricht, nimmt natürlich die ganze Armee Hab-acht-Stellung ein«, bemerkte Romilly trocken. Ruyven starrte sie an.
»Was ist los mit dir, Romy? Lord Orain ist ein guter und freundlicher Mann und Carolins erster Ratgeber und Freund! Magst du ihn nicht? Und aus welchem Grund?«
Das brachte Romilly zur Einsicht. Es war nichts als verwundete Eitelkeit. Solange er sie für einen Jungen hielt, hatte Orain sie bewundert und ihr vertraut. Als er entdeckte, daß sie eine Frau war, ging das alles in Scherben, und sie war nichts mehr als eine Null, irgendeine Frau, unter Umständen eine Gefahr für ihn. Nun, das war
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