Herrin der Falken - 3
und ritten auf die Stadtmauer von Serrais zu.
4.
Jetzt konnte Romilly sich das Lager von Carolins Männern genauer ansehen. Das silbern und blaue Tannenbanner der Hasturs flatterte über dem in der Mitte gelegenen Zelt, das entweder die Unterkunft des Königs selbst oder das Hauptquartier seines Stabes sein mußte. Sie ritten vorbei an ordentlichen Stallreihen, an einem Kochhaus, wo Armeeköche ein lecker duftendes Gericht zubereiteten, und an einem mit Seilen abgetrennten Feld. Dort gab eine Schwertfrau, die Romilly nur flüchtig kannte, einer Gruppe von unrasierten Rekruten Unterricht im waffenlosen Kampf. Einige der jungen Männer sahen ärgerlich und verdrießlich aus. Romilly konnte sich denken, daß es ihnen nicht gefiel, von einer Frau ausgebildet zu werden. Andere, die sich Beulen und blaue Flecken rieben, die von Würfen und Stürzen herrührten, paßten mit großem Ernst auf. Vor dem Zentrum des Lagers hielt ein Posten Wache. Er rief sie an. Jandria salutierte vorschriftsmäßig.
»Schwertfrau Jandria und Lehrling Romilly«, sagte sie. »Ich suche den Lord Orain, der nach mir geschickt hat.«
Romilly versuchte, sich ganz klein zu machen, denn sie fürchtete, der Wachposten werde höhnisch oder unhöflich antworten. Aber er erwiderte nur den militärischen Gruß und rief seinen Boten, einen Jungen etwa in Romillys Alter, der Lord Orain Bescheid geben sollte.
Romilly hätte die hochgewachsene, hagere Gestalt, das scharfgeschnittene Kinn überall wiedererkannt. Allerdings war er heute in die eleganten Hastur-Farben gekleidet und trug ein juwelenbesetztes Wehrgehänge und ein prachtvolles Schwert. Wenn sie ihn so das erste Mal gesehen hätte, dachte Romilly, hätte sie vor Ehrfurcht nicht sprechen können. Er verbeugte sich zeremoniell vor den Frauen. Seine Stimme hatte den Akzent eines Edelmannes ohne eine Spur von dem rauhen ländlichen Dialekt.
»Mastra’in, es ist freundlich von Euch, auf meine Bitte hin so schnell zu kommen«, sagte er, und Jandria erwiderte ebenso steif, es sei ihr eine Freude, ihre Pflicht dem König gegenüber zu erfüllen.
Etwas weniger förmlich fuhr Orain fort: »Mir fiel ein, daß Romilly sich nicht nur mit Falken, sondern auch mit Kundschaftervögeln auskennt. Wir haben aus Tramontana einen laranzu mitgenommen, der jedoch keine Erfahrung mit Kundschaftervögeln hat, und diese kennt Ihr, damisela. Seid ihr bereit, unsern laranzu in der Kunst zu unterrichten?«
»Das will ich gern tun, Lord Orain.« Dann platzte sie heraus: »Aber nur, wenn Ihr aufhört, mich in diesem Ton damisela zu nennen!«
Eine ungleichmäßige Röte breitete sich über Orains langes Gesicht aus. Er vermied ihren Blick. »Es tut mir leid, Romilly. Hier entlang, bitte.«
Romilly folgte Jandria und Orain, die Arm in Arm gingen. Jandria erkundigte sich: »Wie geht es Ihm?«
Orain zuckte die Schultern. »Wegen der Neuigkeiten, die du vorausgeschickt hast, schon besser, meine Liebe. Hast du Lyondri von Angesicht zu Angesicht gesehen?«
Romilly bemerkte Jandrias verneinende Kopfbewegung. »Als der Augenblick kam, war ich zu feige; ich habe Romilly an meiner Stelle geschickt. Wenn ich ihm damals gegenübergetreten wäre –« Sie brach ab. »Ich weiß nicht, ob du letztes Jahr jene Dörfer entlang der alten Nordstraße gesehen hast. Immer noch verseucht, sie alle…« Sie erschauerte; Romilly konnte es noch von fern erkennen. »Ich bin froh, daß ich eine ehrliche Schwertfrau und keine Leronis bin! Wenn ich hätte mitwirken müssen, das gute Land zu vergiften, wüßte ich nicht, wie ich jemals wieder meine Augen zum reinen Himmel hätte aufschlagen sollen!«
War das, überlegte Romilly, der Grund, warum der MacAran in Fehde mit den Türmen lag, warum Ruyven hatte weglaufen müssen, warum er damals der Leronis nicht erlaubt hatte, Romilly und Mallina auf Laran zu testen? Ein Laran-Krieg, so wenig sie noch davon gesehen hatte, war grauenhaft. Orain gab ernst zurück: »Carolin sagt, er wird diese Waffen nicht einsetzen, solange er nicht damit angegriffen wird. Aber wenn Rakhal laranzu’in gegen unsere Armee führt, dann bleibt Carolin nichts anderes übrig. Das weißt du ebensogut wie ich, Janni.« Er seufzte. »Du mußt ihm berichten, was du in Hali erfahren hast, obwohl die Nachricht ihm Kummer bereiten wird. Romilly kann inzwischen…«, er drehte sich um und betrachtete sie lange. »Die Quartiere der Vogelpfleger sind dort drüben. Der Meister und sein Lehrling bewohnen das Zelt da, und zweifellos wirst du
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