Herrin der Falken - 3
sie hatte sich gewünscht, solch einen Freund zu haben. Nun teilte sie kurz die schnelle, unbewußte Berührung zwischen dem König und seinem geschworenen Mann, nicht sexueller Natur, sondern tiefer als das, eine Verbundenheit, die in Geist und Herz bis auf ihre Kinderzeit zurückging und sogar irgendwie ein Bild ihrer ersten Begegnung einschloß, kleine Jungen, noch keine vier Jahre alt… alle drei Dimensionen der Zeit, wie sie sich Sonnensterns als Fohlen bewußt war, das auf den Hügeln seines Heimatlandes umhersprang…
Sie riß sich von dem ausgedehnten Kontakt los und kehrte erschüttert und erschrocken in ihren eigenen Körper zurück. Sie wußte nicht, was geschah, aber sie nahm an, daß sich eine neue Dimension ihres Laran von selbst öffnete. Was brauchte sie überhaupt einen Turm?
Am Morgen, als sie in der Nähe der Vögel zu tun hatte, empfing sie Bruchstücke und Reste der optischen Wahrnehmungen, die sie gestern auf ihrem gemeinsamen Flug gemacht hatte. Der erste Mensch, den sie sah, war Jandria. Nachdem die beiden Schwertfrauen sich mit einer Umarmung begrüßt hatten, sagte Jandria: »Wir haben deine Botschaft durch die Vögel erhalten. Er selbst hat es mir erzählt.« So sprach sie in seiner Abwesenheit immer von König Carolin. »Du machst deine Sache gut, Romilly. Und ich habe von den Schwertfrauen hier für dich die Erlaubnis erwirkt, daß du weiterhin Lady Mauras Zelt bewohnen darfst, wenn du willst. Ich werde sie aufsuchen und mit ihr reden; wir haben uns als Mädchen gekannt.“
Romilly hielt den Mund – sie hatte längst gemerkt, daß Jandria einen höheren Rang einnahm, als es anfangs den Anschein hatte, auch wenn sie keinen Anspruch mehr darauf erhob, seit sie der Schwesternschaft beigetreten war. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit den Vögeln zu. Irgendwo in ihrem Rücken hörte sie die beiden Frauen miteinander sprechen. Es gab ihr einen kleinen Stich, den sie als Eifersucht erkannte.
Und ich habe keine Freundin, keinen Liebhaber, ich bin allein, so allein wie ein Mönch in seiner einsamen Zelle in den Eishöhlen von Nevarsin… Aber was dachte sie da? Gerade jetzt war ihr Kopf erfüllt von dem Bild des großen Hengstes, der im Sonnenschein dahingaloppierte, und Carolin saß auf seinem Rücken…
Sie machte ihre Verbeugung, noch bevor sie in des Königs Gesicht aufblickte. Und dann war sie sich nicht sicher, ob sie Carolin oder Sonnenstern, dessen schwarze Mähne der Bergwind zauste, ihre Reverenz erwiesen hatte. Carolin sprang aus dem Sattel und begrüßte sie freundlich.
»Schwertfrau Romilly, ich bin selbst gekommen, um Euch meinen Dank für Eure Botschaft auszusprechen, Euch und Euren Gefährten bei den Kundschaftervögeln. Wir ziehen morgen gegen Rakhals Armee, und ich habe meiner Verwandten Maura gelobt, sie brauche an einer Schlacht gegen ihren Verwandten nicht teilzunehmen. Deshalb müßt Ihr und der Laranzu die Arbeit tun.« Er lächelte ihr zu. »Komm, Kind, du warst doch nicht stumm, als du mit mir nach Nevarsin geritten bist. Damals hast du mich ›Onkel‹ genannt.«
Romilly platzte heraus: »Ich tat es in Unwissenheit, Sir. Es war kein Mangel an Respekt, ich hielt Euch für Carlo vom Blauen See…«
»Das bin ich auch«, fiel Carolin lächelnd ein. »Carlo ist der Name aus meiner Kinderzeit, so wie mein kleiner Cousin Caryl genannt wird. Und meine Mutter schenkte mir das Landgut ›Blauer See‹, als ich eine Junge von fünfzehn war. Zwar war ich nicht, für was du mich hieltest, aber bei dir war es ebenso. Denn ich hielt dich für einen Stalljungen, irgendeinen MacAranBastard, und nicht für eine Leronis, als die ich dich jetzt antreffe.“
Romilly wußte, trotz ihrer Jungenkleidung hatte er sie ziemlich bald durchschaut und aus seinen eigenen Gründen darüber geschwiegen. Dieses Schweigen hatte es Orain erlaubt, mit ihr Freundschaft zu schließen, und dafür war sie dankbar. Sie begann: »Euer Majestät…«
Er winkte ab. »Ich halte nichts von Zeremonien unter Freunden, Romilly, und ich habe nicht vergessen, daß ich ohne dich das Frühstück des Banshees geworden wäre. Du wirst also die Kundschaftervögel fliegen lassen, um meine Ratgeber über Rakhals – oder Lyondris – Vorbereitungen zur Schlacht zu unterrichten?«
»Es wird mir eine Ehre sein, Sir.«
»Gut. Nun muß ich mit meiner Verwandten reden und sie von ihrer Angst befreien«, sagte er. »Ich glaube, auch Dame Jandria empfindet immer noch Liebe für Lyondri…«
»Für den Mann, der er war«,
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