Herrin der Falken - 3
uns mit Haftfeuer angegriffen. Es ist uns gelungen, ihn zurückzuschlagen, aber er wird seine Armee sammeln und wiederkommen. Und der Lastenträger allein weiß, welche teuflischen Laran-Waffen er dann gegen uns schleudert! Beeile dich also, deinen Vater zu begrüßen, ‘Deric, denn dies ist nur die Ruhe vor den Sturm, und morgen um diese Zeit kämpfen wir vielleicht alle um unser Leben. Willst du nach dem Tod vor eure Götter treten, wenn der Makel des Verwandtenstreites noch auf dir ruht? Denn es ist sehr wahrscheinlich, daß du nur gekommen bist, um an deines Vaters Seite zu sterben.«
»So schlimm steht es?« Alderic forschte in Ruyvens Gesicht. Ruyven nickte grimmig.
»Wir befinden uns im Auge des Sturms. Eine Weile haben wir Ruhe, mehr nicht. Carolin hat alle leronyn, die er aufbieten kann, zu sich gerufen, ‘Deric.«
Romilly unterbrach: »Was ist das? Wenn du nicht Carolins Sohn bist…«
Alderic erklärte ruhig: »Mein Vater heißt Orain und ist der Pflegebruder und Freund Carolins. Ich bin an Carolins Hof erzogen worden.«
Voller Vertrauen faßte sie plötzlich nach seiner Hand. Sie hätte es erraten können, als er davon sprach, sein Vater ertrage es nicht, ihn anzusehen. Carolin wäre selbst in einer ungewünschten dynastischen Ehe fähig gewesen, der Frau Höflichkeit und Freundlichkeit zu erweisen. Aber als Belohnung für einen Augenblick der Tollheit hatte sie, Romilly, Orain geradewegs ins Herz gesehen. Es tat ihr leid um Alderic, der nie die Liebe eines Vaters kennengelernt hatte, denn jetzt wußte sie, wie gesegnet sie in dieser Liebe gewesen war. »Ich bin die Falkenmeisterin des Königs«, sagte sie, »und er wird meinen Vogel bald brauchen, wenn wir Rakhal von neuem auf dem Schlachtfeld begegnen sollen. Und zweifellos ist dein Vater bei ihm.«
»Bestimmt«, meinte Alderic. »Er entfernt sich nie weit von des Königs Seite. Als ich jünger war, haßte ich ihn deswegen. Ich grollte, daß ihm mehr an Carolins Söhnen lag als an mir, ja, sogar an Lyondri Hasturs kleinem Sohn.« Er zuckte die Schultern und seufzte. »Die Welt wird gehen, wie sie will. Liebe kann man nicht erzwingen, nicht einmal von Verwandten. Und für einen solchen Mann wie meinen Vater muß mein bloßes Vorhandensein eine schmerzliche Erinnerung an eine unglückliche Zeit seines Lebens dargestellt haben. Ich schulde Orain die Pflichten eines Sohnes – möge ich darin nie versagen –, aber mehr nicht. Verwandtschaft, denke ich manchmal, ist ein Streich, den uns die Götter spielen. Sie binden uns an Menschen, die wir nicht lieben, und wir müssen uns mühen, unsern Frieden mit ihnen zu finden. Aber Freunde sind ein Geschenk, und dein Vater ist mir ein Freund, beinahe ein Pflegevater geworden. Wenn wir diesen Krieg hinter uns haben…«, er berührte leicht ihre Hand. »Davon brauchen wir jetzt nicht zu sprechen. Du wirst wissen, was ich sagen wollte.«
Romilly sah ihn nicht an. Es hatte tatsächlich eine Zeit gegeben, als sie gedacht hatte, diesen Mann hätte sie gern geheiratet. Aber in dem seither verflossenen Jahr war ihr vieles widerfahren. Sie hatte Orain selbst begehrt, und er hatte sie nicht gewollt. Und Ranald… was zwischen ihr und Ranald geschehen war, gehörte nicht zu den Dingen, die zu einer Heirat führen. Es war auch unwahrscheinlich, daß ein TrockenlandLord eine Schwertfrau aus den Bergen zur Frau begehrte. Sie glaubte nicht einmal, daß sie ihn nähme, wenn er um sie anhielte, und es gab keinen Grund zu der Annahme, daß er es tun würde. Ihre Körper hatten einander freudig akzeptiert, doch das war unter ungewöhnlichen Umständen geschehen. Es hätte gut ein anderer Mann sein können, der sie vor dem Tumult in ihrem Inneren rettete. Abgesehen davon wußten sie sehr wenig voneinander. Und wenn Alderic erfuhr, daß sie nicht mehr die tugendhafte Jungfrau von damals war, würde er sie dann überhaupt noch wollen?
Sie begann: »Wenn dieser Krieg vorüber ist, Lord Alderic…«
»Nenn mich Deric, wie es dein Bruder tut«, unterbrach er sie.
»Ruyven und ich sind bredin, und als Freund deiner beiden Brüder bin ich dir immer den Schutz eines Bruders schuldig. Das ist das mindeste.«
»Ich bin eine Schwertfrau – Deric«, erwiderte sie. »Ich brauche keines Mannes Schutz, aber ich nehme gern deine Freundschaft an. Die hatte ich, wie ich glaube, schon auf Falkenhof. Was über Freundschaft hinausgeht, da…«, sie konnte es nicht verhindern, daß ihre Stimme zitterte. »Davon sollten wir nicht einmal sprechen,
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