Herrin der Falken - 3
kalt und steif da und sah sehr erstaunt aus. Ihr Gesicht war nicht entstellt. Romilly wollte nicht glauben, daß sie nicht gleich lachend aufspringen und sie auf dem falschen Fuß erwischen würde, wie sie es so viele Male getan hatte. Sie nahm die Schaufel, die eine der Schwertfrauen ihr in die Hand drückte. Die harte körperliche Arbeit, das Grab auszuheben, war ihr willkommen. Ohne das nahm sie zuviel Schmerz wahr, zu viele Verwundete, schreiend, stumm leidend oder stöhnend, und das alles teilte sich ihr mit. Sie versuchte, es auszuschließen, wie Ranald es sie gelehrt hatte, aber es war zu viel, zu viel…
Draußen über dem Schlachtfeld kreisten dunkle Gestalten. Dann stürzte eine auf ein totes Pferd nieder, das bereits anschwoll, und stieß seinen Schnabel mit einem heiseren Freudenschrei hinein. Ein zweiter Vogel folgte und noch einer, und dann Dutzende, Hunderte… sie schmausten, sie riefen sich gegenseitig begeistert zu. Romilly fing einen Gedanken von irgendwoher auf, sie wußte nicht, ob von einer der Schwertfrauen neben ihr am Grab oder von jemandem, der sich außer Sicht in dem dunklen Lager befand: Die Niederlage der Menschen ist die Freude der Aasvögel; wo Menschen trauern, feiern die Kyorebni … Ihr wurde schlecht. Sie ließ die Schaufel fallen, versuchte, sie wieder aufzuheben, krümmte sich dann zusammen und erbrach sich. Sie hatte seit dem Morgen nichts gegessen, nichts kam hoch als ein bißchen grüner Schleim. Aber sie blieb so stehen, krank und erschöpft, zu krank, um auch nur zu weinen.
Jandria kam und führte sie schweigend ins Zelt. Zwei Schwertfrauen verbanden die Wunden von drei anderen. Eine hatte Haftfeuer auf die Hand bekommen, das sich immer weiter nach innen fraß, eine zweite war bewußtlos von einem Schwerthieb über den Kopf, und die dritte hatte sich das Bein gebrochen, als ihr Pferd fiel und sich über sie wälzte. Eine Frau sah stirnrunzelnd auf, als Jandria Romilly hereinführte und auf eine Decke niederdrückte.
»Sie ist nicht verwundet – sie sollte helfen, unsere Toten zu begraben!«
Jandria erwiderte scharf: »Es gibt mehr als eine Art von Wunden!« Sie nahm Romilly in die Arme, wiegte sie, streichelte ihr Haar, tröstete sie. Das Mädchen spürte die Berührung nicht. Sie hatte sich in einer verzweifelten Einsamkeit verloren, wo sie nach den Toten suchte und suchte… Romilly wanderte durch einen dunklen Traum wie über eine weite graue Ebene. Dort sah sie Clea vor sich, die lachend auf einem der toten Pferde ritt und Prudentia auf der Faust hatte. Aber sie waren so weit voraus, ganz gleich, wie schnell sie rannte, ihre Füße staken fest, als wate sie durch dicken Sirup. Niemals, niemals würde sie sie einholen… Von irgendwoher vernahm Romilly eine Stimme, die sie erkennen sollte, aber nicht erkannte. Sie hat nie gelernt, es auszuschließen. Diesmal kann ich ihr vielleicht Barrieren geben, aber ein Heilmittel gibt es nicht. Sie ist eine wilde Telepathin und deshalb ohne Schutz.
Romilly wußte nur, daß irgendwer… Carolin? Lady Maura?… leicht ihre Stirn berührte, und da war sie wieder in dem Zelt der Schwertfrauen, und die große graue Ebene des Todes war verschwunden. Zitternd und weinend klammerte sie sich an Jandria.
»Clea ist tot. Und meine Pferde, alle meine Pferde… und die Vögel…«, schluchzte sie.
Jandria hielt sie fest und wiegte sie. »Ich weiß, Liebes, ich weiß«, flüsterte sie. »Schon gut, weine um sie, wenn du mußt, weine, wir sind alle hier bei dir.« In dumpfer Verwunderung dachte Romilly: Sie weint auch.
Und sie wußte nicht, warum ihr das seltsam vorkam.
8.
Romilly erwachte. Der Morgen nach der Schlacht war grau und trostlos. Es regnete heftig. Auf dem Feld regte sich nichts außer den allgegenwärtigen Aasvögeln. Sie ließen sich von dem Wolkenbruch nicht stören und mästeten sich an den Leichen von Menschen und Pferden.
Für sie macht das jetzt keinen Unterschied mehr, dachte Romilly, aber sie war doch froh, daß Clea in der Erde lag und ihr Körper vor den grimmigen Schnäbeln der sich streitenden Kyorebni geschützt war. Doch auf diese oder eine andere Weise, er würde sich in seine ursprünglichen Elemente auflösen, Nahrung für die kleinen Tiere im Boden, für Gras und Bäume. Clea war Teil von dem großen und endlosen Zyklus des Lebens geworden, wo die, die sich von der Erde ernährten, wiederum Nahrung für die Erde wurden. Warum sollte ich dann trauern? fragte Romilly sich, und die Antwort kam ohne Nachdenken. Ihr
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