Herrin der Falken - 3
und bestellte eine Mahlzeit. Romilly meinte, protestieren zu müssen. »Ihr solltet nicht… ich kann meinen Anteil bezahlen.«
Orain zuckte die Schultern. »Ich esse nicht gern allein. Und Dom Carlo hat angedeutet, er habe heute abend einen anderen Fisch zu braten.«
Romilly neigte den Kopf und nahm die Einladung mit Würde an. Sie war noch nie in einer öffentlichen Gastwirtschaft oder Garküche gewesen. Es fiel ihr auf, daß außer der fetten Kellnerin, die Geschirr vor sie hinknallte und wieder verschwand, keine Frau anwesend war. Wüßte Orain, daß sie ein Mädchen war, hätte er sie nie hierhergebracht. Wenn eine Dame, so unvorstellbar es war, das Lokal beträte, würde alles voller Ehrerbietung um sie herumspringen. Niemals würde man sie als selbstverständlich hinnehmen, und erst recht nicht hätte sie sich bequem hinlümmeln können, die Füße auf der Bank gegenüber. Vergnügt nippte Romilly an ihrem Becher mit Apfelwein, während herrliche Küchendüfte den Raum zu füllen begannen. Nein, es war besser, sie blieb ein Junge. Sie hatte anständige Arbeit und verdiente alle zehn Tage drei Silberstücke. Keine Köchin, kein Milchmädchen durfte auf eine so gute Bezahlung hoffen. Romilly erinnerte sich daran, was Rorys Großmutter von der Zeit vergangenen Reichtums erzählt hatte. Wenn ihr Mann nicht mit ihr schlafen konnte, wurde er zu dem Milchmädchen geschickt, ohne daß sich irgendwer Gedanken darüber machte, was das Milchmädchen davon hielt. Lieber wollte sie ihr ganzes Leben in Hosen und Stiefeln verbringen, als auch noch diese Pflichten auferlegt zu bekommen!
Romilly ertappte sich bei der Überlegung, ob auch Luciella dergleichen von ihren Dienstboten verlangte. Zuweilen mußte es geschehen, denn da war Neldas Sohn. Es bereitete Romilly Unbehagen, in dieser Weise an ihren Vater zu denken, und sie hielt sich vor, daß er ein Cristofero war… aber machte das einen Unterschied? In der Welt, in der sie aufgewachsen war, galt es als selbstverständlich, daß ein Edelmann Bastarde und NedestroSöhne und –Töchter hatte. Romilly hatte eigentlich nie über deren Mütter nachgedacht.
Sie rutschte auf ihrem Sitz herum, und Orain fragte grinsend: »Hungrig? In der Küche da drüben riecht etwas sehr gut.« Ein halbes Dutzend Männer warf Pfeile nach einem Brett an der hinteren Wand, andere würfelten. »Sollen wir Pfeile werfen, Junge?«
Romilly schüttelte den Kopf und wandte ein, sie kenne das Spiel nicht. »Aber laßt Euch von mir nicht aufhalten.«
»Du wirst es nie jünger lernen«, sagte Orain, und schon fand Romilly sich mit einem Pfeil in der Hand wieder.
»Halte ihn so«, wies Orain sie an, »und laß ihn einfach fliegen. Du brauchst ihn nicht mit Kraft zu werfen.«
»So ist’s richtig«, bemerkte einer der Männer, der in der Menge hinter ihr stand. »Stell dir einfach vor, der Kreis auf der Wand sei der Kopf König Carolins und du habest Aussicht auf die fünfzig Kupfer-Reis, die darauf als Belohnung ausgesetzt sind!«
»Lieber stelle ich mir vor«, erklang eine verbitterte Stimme, »daß das der Kopf des blutdürstigen Wolfs Rakhal ist oder der seines Oberschakals Lyondri Hastur!«
»Das ist Hochverrat!« rief ein dritter, und der vorige Sprecher verstummte. »So ein Gerede ist nicht einmal hier jenseits des Kadarin ungefährlich. Wer weiß, was für Spione Lyondri Hastur in die Stadt schickt?«
»Ich sage: Zandru plage sie beide mit Schwären und dem Kahlfieber«, meinte wieder ein anderer. »Was interessiert es freie Bergbewohner, welcher große Schurke seinen Hintern auf den Thron pflanzt oder welcher größere Schurke ihn herunterreißen will? Ich sage: Zandru hole sie beide in seine Höllen, und ich wünsche ihm viel Vergnügen an ihrer Gesellschaft, damit sie südlich des Flusses bleiben und anständige Menschen in Frieden ihren Geschäften nachgehen lassen!“
»Carolin muß etwas verbrochen haben, sonst hätte man ihn nie vom Thron geholt«, tat einer seine Meinung kund. »Die Hali’imyn da unten glauben, die Hasturs seien mit ihren schmutzigen Göttern verwandt. Ich habe vielleicht Geschichten gehört, als ich das Land bereiste, und ich könnte euch Dinge erzählen.«
Die Pfeile waren vergessen; niemand kam, um Romilly abzulösen. Sie flüsterte Orain zu: »Wollt Ihr es zulassen, daß sie so über König Carolin reden?«
Orain antwortete nicht darauf. Er sagte: »Unser Fleisch steht auf dem Tisch, Rumal. Nachbarn, vielleicht werden wir später eine Runde spielen, aber das Essen wird
Weitere Kostenlose Bücher