Herrin der Falken - 3
kalt, während wir hier schwatzen.« Er winkte Romilly, die Pfeile hinzulegen und an ihren Platz zu gehen. Orain schnitt das Fleisch in Stücke und sagte dabei halblaut: »Wir sind hier, um Carolin zu dienen, Junge, nicht um ihn vor Narren in einer Kneipe zu verteidigen. Iß, Rumal.« Eine Weile später setzte er, immer noch leise, hinzu: »Mir lag nicht zuletzt deswegen an einem Gang durch die Stadt, weil ich hören wollte, was das Volk denkt, welche Unterstützung es dem König geben würde. Wenn wir hier Männer für ihn versammeln wollen, ist es wichtig, daß die Öffentlichkeit auf ihrer Seite steht, damit uns keiner verrät. Vieles kann im Geheimen geschehen, aber eine Armee läßt sich so nicht aufstellen!«
Romilly stieß ihre Gabel in das gebratene Fleisch und aß schweigend. Ihr war aufgefallen, daß Orain, immer wenn er mit ihr sprach, den bäuerlichen Dialekt ohne nachzudenken ablegte und sich wie ein gebildeter Mann ausdrückte. Nun, wenn er des Königs Pflegebruder war, wie sie gehört hatte, war das nicht verwunderlich. Carlo mußte ebenfalls eine hohe Stellung unter seinen Ratgebern eingenommen haben. Zweifellos waren auch ihm Land und Besitz weggenommen worden, als Carolin den Thron verlor und in die Berge floh. Das erinnerte sie von neuem daran –
Ich weiß nicht, ob Carolin Feinde in dieser Stadt hat, aber bestimmt hat er wenigstens einen im Kloster. Ein Kind wie Caryl kann ihm kaum großen Schaden zufügen, und er sagte, der König sei freundlich zu ihm gewesen. Aber wenn Carlo und Orain sich mit dem König innerhalb der Klostermauern treffen wollen, gibt es ein Paar Augen, die ihn erkennen werden. Sie müssen es verhindern, daß der König ins Kloster kommt. Romilly fragte sich, warum sie sich Gedanken darüber machte, was aus dem vertriebenen König wurde. Wie ihr Vater so oft gesagt hatte: Was kam es darauf an, welcher große Schurke auf dem Thron saß oder welche größere Schurke ihn zu verdrängen suchte?
Orain und Carlo würden einem schlechten Herrn nicht folgen. Der Mann, den sie für ihren rechtmäßigen König halten, ist auch mein rechtmäßiger König! Und die Geschichte über den bösen Hastur-Lord Lyondri hatte sie mit Abscheu erfüllt. Irgendwie, ohne es zu merken, war sie zum Partisanen für Carolin geworden.
»Nimm das letzte Kotelett, Junge, du wächst noch und brauchst dein Essen«, grinste Orain und rief bei der Kellnerin nach mehr Wein. Romilly griff nach einem weiteren Becher, und Orain klopfte ihr auf die Finger.
»Nein, nein, du hast genug gehabt. Bringt dem Jungen Apfelwein, Frau, er ist zu jung für Euren Rachenputzer! Ich möchte dich nicht nach Hause tragen müssen«, meinte er gutmütig, »und Burschen deines Alters können dieses Zeug noch nicht vertragen.«
Mit brennendem Gesicht hob Romilly den großen Becher Apfelwein, den die Kellnerin vor sie hinstellte. Sie nahm einen Schluck und gestand sich ein, daß er ihr besser schmeckte als der starke Wein, der ihr in Mund und Magen brannte und sie schwindelig machte. Sie murmelte: »Danke, Orain.«
Er nickte. »Nichts zu danken. Ich wünschte, mir hätte ein Freund den Kopf aus der Weinkanne gehauen, als ich in deinem Alter war. Jetzt ist es zu spät.« Er hob seinen eigenen Becher und tat einen tiefen Zug.
Romilly blieb satt und schläfrig sitzen, als Orain wieder vor die Zielscheibe trat. Er forderte sie auf, mitzuspielen. Aber sie schüttelte den Kopf. Angenehm müde hörte sie den Gesprächen an der Theke zu.
»Gut geworfen! Genau ins Auge des Königs, den du nicht leiden kannst!«
»Ich hörte, Carolin sei in den Hellers, weil die Hali’imyn zu verweichlicht sind, um ihm da oben nachzusetzen – sie könnten sich ihre zarten Steißknochen erfrieren!«
»Ob Carolin hier ist oder nicht, es gibt genug Leute, die auf seiner Seite stehen. Er ist ein guter Mann!«
»Was Carolin auch sein mag, ich werde mich jeder Partei anschließen, die diesem Bastard Lyondri den Strick um den Hals legt, wie er es verdient! Habt ihr gehört, was er dem alten Lord di Asturien angetan hat? Er hat ihm das Haus über dem Kopf angezündet, dem armen alten Mann, und er und seine alte Dame hätten in Nachtgewändern und Pantoffeln auf der Straße gestanden, wenn einer ihrer Waldarbeiter sie nicht hereingeholt und ihnen einen Platz gegeben hätte, wo sie sich hinlegen konnten…«
Nach einer Weile begann Romilly zu träumen. Carolin und der Usurpator Rakhal, die Gesichter wie große Bergkatzen hatten, schlichen durch die Wälder und griffen
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