Herrin der Falken - 3
das Klima hier für gewöhnliche Falken zu rauh, deshalb wirst du wohl warten müssen, bis du ins Tiefland zurückkehrst.«
Der Junge seufzte und sah bedauernd den Vogel auf der Reck an. »Die hier sind zäher als Falken, nicht wahr? Sind sie verwandt mit den Kyorebni?«
»Sie haben Ähnlichkeit mit ihnen«, stimmte Romilly zu, »sind aber intelligenter als Kyorebni und auch als Falken.« Es kam ihr wie ein Verrat an Preciosa vor, daß sie das eingestand. Ein paar Tage des Rapports mit den Kundschaftervögeln hatten sie jedoch gelehrt, daß sie eine höhere Intelligenz besaßen.
»Darf ich Euch… darf ich dir helfen, Rumal?«
»Ich bin beinahe fertig«, sagte Romilly, »aber wenn du möchtest, kannst du dies Grünzeug und die Steinchen in ihre Atzung mischen. Allerdings, wenn du das Aas anfaßt, werden deine Hände danach stinken.«
»Ich kann sie mir am Brunnen waschen, bevor ich zum Chor gehe. Der Vater Cantor ist sehr fett und kommt immer zu spät zur Probe«, erklärte der Junge ernst. Romilly sah lächelnd zu, wie er das nach Wild riechende Fleisch aufteilte und es mit Kräutern und Steinchen bestreute. Doch das Lächeln verschwand schnell wieder. Dies Kind war ein Telepath und der Sohn Lyondri Hasturs. Er konnte sie alle in Gefahr bringen. »Wie heißt du?« erkundigte sie sich.
»Ich werde Caryl gerufen«, antwortete der Junge. »Ich wurde nach dem Mann genannt, der König war, als ich geboren wurde. Nur sagt Vater, Carolin sei heutzutage kein guter Name. Carolin mißbrauchte seine Macht, sagt man, und war ein schlechter König. Deshalb mußte sein Cousin Rakhal den Thron einnehmen. Aber zu mir war er freundlich.«
Das Kind wiederholte nur, was es von seinem Vater gehört hatte, sagte Romilly zu sich selbst. Caryl war mit der Zubereitung des Futters fertig und fragte, ob er einen der Vögel atzen dürfe.
»Gib das hier Prudentia«, sagte Romilly. »Sie ist die sanfteste, und ich sehe, daß ihr euch bereits angefreundet habt.«
Er trug dem Vogel das Fleisch hin und sah zu, wie er gierig daran zerrte, während Romilly die beiden anderen atzte. Eine Glocke erklang im äußeren Hof des Klosters, gedämpft durch die dazwischenliegenden Mauern, und der Junge schrak zusammen.
»Ich muß zum Chor, und danach habe ich Unterricht. Darf ich heute abend kommen und dir beim Füttern der Vögel helfen, Rumal?«
Romilly zögerte, und er versprach feierlich: »Ich werde dein Geheimnis bewahren, das gelobe ich.«
Da nickte sie. »Komm nur, wann immer du möchtest.« Der Junge rannte davon. Romilly sah, daß er sich die Hände am Hosenboden abwischte, wie jeder lebhafte Junge es getan hätte. Sein Versprechen, sie am Brunnen zu waschen, war vergessen.
Als er außer Sicht war, seufzte sie und blieb unbeweglich stehen, ohne auf die Vögel achtzugeben.
Lyondri Hasturs eigener Sohn war hier im Kloster, und hier wollte sich Dom Carlo mit König Carolin treffen, ihm die wertvollen Kundschaftervögel schenken und in der Stadt eine Armee zusammenziehen. Es war nicht ausgeschlossen, daß Caryl den König vom Ansehen kannte. Wenn sich nun Carolin verkleidet in der Stadt befand und ins Kloster kam, mochte der Junge ihn erkennen, und dann…
Was kümmert es mich, welcher Schurke auf dem Thron sitzt? hallten die Worte ihres Vaters in ihrem Geist wider. Aber Alderic, der ihr der beste junge Mann zu sein schien, den sie außer ihren Brüdern kannte, war Carolins geschworener Mann, vielleicht sogar sein Sohn. Auch Carlo und Orain waren dem vertriebenen König treu. Und sein Ratgeber Lyondri Hastur schien, was auch sein Sohn sagen mochte, einer der schlimmsten Tyrannen zu sein, von denen sie je gehört hatte. Das ließ sich aus seiner Grausamkeit gegen Alarics Kinder schließen.
Und sie selbst war Dom Carlos Mann, zumindest so lange, wie sie in seinem Dienst Geld annahm. Er mußte erfahren, welche Gefahr Carolin drohte, den er seinen rechtmäßigen König nannte. Vielleicht konnte er ihn warnen, dem Kloster nicht nahezukommen, weil hier ein Kind sei, das ihn erkennen und jede beliebige Verkleidung durchschauen würde. Die Augen des Jungen und sein Laran waren in der Tat scharf. Er hatte gesehen, daß Romilly eine Frau war.
Aber ich kann weder Dom Carlo noch seinem Freund sagen, woher ich weiß, daß dieses Kind Laran hat. Romilly ging in den zum Kloster gehörenden Stall und fand die Pferde in guten Händen, sprach kurz mit den Knechten über ihre Pflege und gab ihnen, wie es sich gehörte, ein Trinkgeld. Orain hatte ihr einen großzügigen
Weitere Kostenlose Bücher