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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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und äußerst unglücklich drein. »Ihr könnt in den Ställen schlafen, dort ist es warm und geschützt.« Bei seinem letzten Wort begannen einige der Männer leise zu lachen, aber Achard beugte sich ruckartig vor und schlug mit der Faust so heftig auf den Tisch, dass die Schüssel des Kleinen schepperte und abermals Tränen in seine Augen traten. »Dieses ehrenwerte Spielmannspaar steht unter meinem persönlichen Schutz!«, donnerte der Burgherr in die Runde, und dann, zu einem der Knechte hin: »Bring die beiden in ihr Quartier.«
    Noch bevor der Bedienstete sich in Bewegung setzen konnte, erhob sich der Greis. »Lasst mich das machen! Hier ist es zu heiß und laut für einen alten Mann. Ich bin froh, wenn ich an die frische Luft komme.«
    Achard gab mit einem gleichgültigen Wink sein Einverständnis. Der Knecht zog sich wieder zurück in den Durchgang zur Küche.
    Faun sah Tiessa sorgenvoll an. Sie zitterte, gab sich aber Mühe, dass niemand sonst es bemerkte. An der Tafel wurden die Gespräche wieder aufgenommen, Bier nachgeschenkt, neue Speisen aufgetragen.
    Elegeabal, der Traumdeuter, führte die beiden ins Freie.

Drachenbrut
     
    Ich erkenne deine Augen, Junge«, sagte der alte Mann, nachdem er sich Faun und Tiessa vorgestellt hatte. Beide trugen jetzt wieder ihre Bündel auf dem Rücken. »Du hast ihre Augen. Denselben Blick.«
    Kühle Nachtluft umfing sie, als sie zu dritt vom Portal des Wohnturms auf den Burghof hinabstiegen. Die Worte des Alten schnürten Faun fast den Atem ab.
    »Von wem sprichst du?«, fragte er.
    »Von wem? Von der Magdalena!« Elegeabal kicherte. »Was seid ihr, du und sie? Geschwister? Ja, ich würde sagen, das seid ihr wohl.«
    Faun stand da wie angewurzelt. »Du bist ihr begegnet?«
    »Das will ich meinen.«
    Er schluckte den Kloß in seinem Hals und konnte einen Moment lang noch schlechter durchatmen. »Wie geht es ihr? Ist sie gesund? Wird sie von irgendwem bedroht? Ist sie verletzt, oder hat man sie –«
    Elegeabal winkte ab. »Sie machte einen recht gesunden Eindruck. Und ziemlich selbstbewusst, würde ich sagen. Ganz gewiss kein Opfer.«
    »Hat sie ihren Namen genannt? Ihren wirklichen Namen?«
    Der alte Mann wurde ernst. »Ich kann die Verbindung zwischen euch beiden sehen, Junge. Dafür braucht es keine Namen. Du und dieses Mädchen, ihr seid vom selben Blut.«
    Faun und Tiessa tauschten einen besorgten Blick. Hät te auch Achard davon gewusst, hätte er sie wohl darauf angesprochen. Es musste einen Grund geben, warum Elegeabal seine Erkenntnis bislang für sich behalten hatte.
    »Keine Angst«, sagte der Alte. »Ich kann zwar nicht behaupten, dass es in dieser Burg irgendwen gibt, dem ihr vertrauen könnt. Aber von allen Halunken, die sich hier zusammengerottet haben, bin ich gewiss der … nun, der älteste und weiseste.« Er zwinkerte Tiessa zu, und Faun bemerkte zum ersten Mal, dass eines seiner Augen starr und blind war. Der Traumdeuter stützte sich auf einen knorrigen Stab und humpelte weiter. »Kommt schon mit.«
    Tiessa deutete zum Tor. »Die Ställe liegen in dieser Richtung.«
    »Ich weiß«, entgegnete er und ging in eine andere. »Nun macht kein solches Aufheben und folgt mir schon nach.«
    »Was willst du von uns?«, fragte Faun.
    »Verratet mir, was ihr über die Magdalena wisst – und ich erzähle euch im Austausch ein paar Dinge, die euch helfen werden, in der Via Mala zu überleben. Denn durch sie wollt ihr doch hindurch, oder? Hinter den anderen her. Bruder folgt Schwester. Ist es nicht so?«
    Er wartete nicht auf Antwort, sondern ging einfach weiter.
    Faun nickte Tiessa zu, obwohl er keineswegs überzeugt war, das Richtige zu tun. Zögernd schlössen sie sich dem seltsamen Alten an. Der Weg über den unebenen, felsigen Hof war ein ständiges Auf und Ab. Sie stiegen mehrere in Stein gehauene Treppen hinauf und wieder hinunter, umrundeten Holzhäuser, Pferdetröge und Hühnerställe und kamen schließlich an ein klobiges Gebäude aus Stein, dessen Rückwand an die Ostmauer grenzte. Auf dem Wehrgang, oberhalb des Daches, patrouillierten Wächter mit Fackeln; die Flammen wurden von den scharfen Bergwinden geschüttelt und fauchten zornig dagegen an.
    Einer der Männer dort oben war Veit. Faun war dankbar, dass der Krieger hinaus ins Gebirge blickte und sie nicht bemerkte.
    Ganz sicher gab er ihnen die Schuld für den Tod seiner Männer und die Tatsache, dass er auf den zugigen Zinnen ausharren musste, während seine Kameraden im Rittersaal feierten. Ihm

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