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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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dort unten beschützen?« Er versuchte, nicht allzu abweisend zu klingen. In Wahrheit aber fand er, dass Elegeabal sich mit diesem Metallding endgültig als Scharlatan und Quacksalber demaskierte.
    Elegeabal ließ den Anhänger in seinen Fingern pendeln. »Ihr könnt ihn haben. Glaubt mir, ihr werdet noch dankbar dafür sein. Aber nur, wenn du mir vorher von deiner Schwester erzählst.«
    Faun schwieg. Tiessa streifte erneut seine Hand. »Es kann nicht schaden, oder?«, raunte sie ihm zu.
    »Du glaubst doch nicht ein Wort von alldem?«
    Sie zuckte die Achseln und wich seinem Blick aus.
    Faun gab sich einen Ruck. »Ich erzähle dir von Saga, und du gibst uns dafür das Amulett, richtig?«
    »Ja«, sagte Elegeabal.
    »Aber damit sind wir noch nicht in der Via Mala. Wir müssen irgendwie raus aus dieser Burg.«
    »Auch dafür kann ich sorgen.«
    Faun beobachtete den alten Mann argwöhnisch und suchte nach Anzeichen von Verschlagenheit. Doch so wenig er Elegeabal auch mochte – es fiel schwer, in ihm etwas anderes zu sehen als einen versponnenen Alten. Und er konnte ihnen helfen.
    Faun trat ein par Schritte vom Skelett des Drachen zurück und lehnte sich gegen die Werkbank. Sein Blick fiel auf ein seziertes Reptil, dessen zurückgeschlagene Hautlappen mit Nadeln auf einem Stück Rinde befestigt waren. Angewidert schüttelte er den Kopf, wandte sich Elegeabal zu und begann zögernd mit seinem Bericht. Von dem Tag, an dem Saga ihm zum ersten Mal vom Lügengeist erzählt hatte. Von den Vorstellungen auf Märkten und Höfen. Von all den Menschen, die sie Hohn und Spott ausgesetzt hatte, indem sie das Blaue vom Himmel gelogen hatte. Der Traumdeuter hörte aufmerksam zu und spielte nachdenklich mit dem Amulett in seinen Fingern, während Tiessa angespannte Blicke von ihm zurück zu Faun warf.
    »So, so«, brummte Elegeabal, nachdem Faun beim Beginn seiner Suche nach Saga angelangt war und seine Erzählung beendete. Tiessa löste sich von seinem Platz und streckte dem Traumdeuter fordernd die Hand entgegen. Er schenkte ihr ein Lächeln und ließ die münzgroße Kupferscheibe an dem Lederband auf ihre geöffneten Finger herab. Tiessa betrachtete sie sorgfältig. Faun interessierte sich zu wenig dafür, um hinüberzugehen und das Ding ebenfalls anzusehen. Elegeabal holte tief Luft, als müsste er das Gehörte erst verarbeiten. »Sehr ungewöhnlich, das alles«, sagte er. »Und aufschlussreich. Möglich, dass deine Schwester diese Reise in Wahrheit gar nicht aus den Gründen macht, an die sie selbst glaubt. Vermutlich wissen auch jene nicht davon, die sie zum Mitkommen gezwungen haben. Aber das Schicksal weiß es. Gott weiß es.«
    Faun hatte genug. Ungeduldig löste er sich von der Werkbank. »Zeig uns jetzt den Weg hier raus. Wir müssen weiter.« Der Sterndeuter hob eine Braue. »Ihr wollt bei Nacht durch die Via Mala? Herrgott, Junge, hast du mir denn gar nicht zugehört?«
    »Wir hatten eine Abmachung.«
    Elegeabal hob abwehrend eine Hand. »Sicher. Und ich halte mich daran. Trotzdem solltet ihr wenigstens bis zur Morgendämmerung –«
    »Still!« Tiessa ließ die Hand mit dem Amulett sinken. »Was war das?«
    Faun schrak auf. »Was?«
    »Auf dem Dach. Das Geräusch.« Sie zog sich das Lederband über den Kopf und ließ den Anhänger unter Achards Lederwams verschwinden. Zugleich setzte sie sich in Bewegung und huschte lautlos zum Eingang des Schuppens.
    »Komm da weg!« Faun war mit drei Sätzen bei ihr und hielt sie am Arm zurück.
    »Irgendwas war da oben«, flüsterte Tiessa.
    »Hierher!« Elegeabal deutete auf einen Vorhang unter der Werkbank. »Versteckt euch dahinter! Schnell!«
    »Nur einen kurzen Blick.« Tiessa wollte sich von Faun lösen und weiter zur Tür laufen, aber er war abermals schneller.
    »Nein!«, sagte er bestimmt. »Komm, er hat Recht.« Und dann zog er sie einfach mit sich, warf dem Traumdeuter einen letzten Blick zu und kroch gebückt mit Tiessa unter die Werkbank. Elegeabal legte den Finger an die Lippen, nickte kurz und zerrte den Vorhang zu. Muffige Luft schloss sich um sie wie ein dunkler Mantel. Das wenige Licht, das durch die Ritzen fiel, ließ Faun gerade einmal Tiessas Profil erkennen, aber nicht ihre Augen. Per verängstigte Blick, denn er kurz zuvor von ihr aufgeschnappt hatte, verfolgte ihn. Ihre Hand in seiner war eiskalt.
    »Das sind sie«, raunte sie an seinem Ohr.
    »Der Falkner und seine Männer?«
    »Ruhe«, flüsterte Elegeabal gedämpft hinter dem Vorhang, dann entfernten sich

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