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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Führer sie freigelassen hätten. Wahrscheinlich stehen die Treiber gerade am Höhleneingang und streiten mit den Fährtensuchern. Wenn wir Glück haben, hält sie das noch eine Weile auf.« Falls er sie damit beruhigen wollte, hatte er sich zu wenig Mühe gegeben: Aus seinem Tonfall sprach kaum unterdrückte Todesangst.
    »Warum sollten sie streiten?«, fragte Tiessa.
    »Kein Hundetreiber sieht sein Tier gern auf Nimmerwiedersehen in diesen Grotten verschwinden. Nicht einmal die Panzerhunde. Und die Treiber sind seltsame Männer. Die Zwinger der Hunde stehen unten in der Schlucht, dort wo ein geheimer Pfad vom Plateau hinab in die Via Mala führt. Achard will sie nicht oben in der Burg haben, und die anderen Männer danken es ihm. Aber die Treiber lieben ihre Tiere auf eine eigene, wahnhafte Art, und die meisten von ihnen hausen mit ihnen in Hütten unten in der Schlucht. Kann sein, dass dieser Ort nicht nur Tiere verändert, sondern auch Menschen, die tagaus, tagein zwischen den Felswänden leben.«
    »Da gefällt’s mir doch hier unten gleich noch viel besser«, knurrte Faun.
    Elegeabal schüttelte den Kopf. »Ich war selbst so oft hier – und mein Verstand ist noch immer der alte.«
    Faun und Tiessa wechselten einen Blick.
    Ein Brüllen ertönte hinter ihnen, jenseits des verlassenen Götzentempels.
    »Sieht aus, als hätten sie sich entschieden«, sagte Faun.
    Tiessas Augen weiteten sich. Zwei, drei Atemzüge lang lauschten alle drei in die Ferne. Das Rascheln, Kratzen und Hecheln wurden lauter, vielfach verzerrt und zurückgeworfen von feuchtem Gestein.
    »Ja«, presste Elegeabal hervor. »Da kommen sie!«
    Rasch setzten sie sich in Bewegung. Der Boden war einigermaßen eben, und die Versuchung, auf die Pferde zu steigen verlockend. Aber dann tat sich vor ihnen mit einem Mal eine Grube auf, nicht natürlich geformt, sondern grob aus dem Fels gehauen.
    »Was ist das?«, stieß Faun atemlos aus.
    »Meine Ausgrabungsstätte«, erwiderte Elegeabal. Das Licht der Öllampe erhellte eine grob gehauene Kante, reichte aber nicht weit genug, um den Boden der Grube sichtbar zu machen. Auch die gegenüberliegende Seite war kaum zu erkennen, nur ein ganz schwacher Schimmer, die Ahnung von massivem Gestein. »Hier habe ich die versteinerten Knochen der Drachenbrut aus dem Fels geschlagen … Kommt weiter, nach links!«
    Sie hasteten an der Kante entlang und rechneten jederzeit mit einem Angriff aus dem Dunkel. Die Panzerhunde bellten nicht, aber ihr Hecheln war deutlich zu hören und schien von allen Seiten zugleich zu kommen. Trotzdem vermutete Faun, dass sie die große Grotte noch nicht erreicht hatten, sondern vielmehr gerade den Höhlentempel untersuchten. Nicht lange, dann würden sie auf den Spalt stoßen.
    »Jetzt nach rechts!«, kommandierte Elegeabal.
    Faun glaubte, die Grube wäre hier zu Ende, doch das war ein Trugschluss. Stattdessen führte an dieser Stelle ein Holzsteg über das Loch hinweg, eigentlich nur zwei Bretter, die provisorisch mit ein paar Stücken Seil nebeneinander gebunden waren. Es gab weder Handläufe, noch waren die Enden im Stein verankert.
    »Wie sollen wir die Pferde da rüberbekommen?«, fragte Tiessa.
    Der Traumdeuter zuckte die Achseln, dabei hüpfte auch der Lichtschein auf und nieder. »Gebt euch Mühe.«
    Und das taten sie. Tiessa war die Erste, die Elegeabal folgte, rückwärts gehend, damit sie dem Tier gut zureden konnte. Tatsächlich folgte es ihr nach einigem Tänzeln und Schnauben hinaus auf den Steg. Wenig später standen die beiden auf der anderen Seite.
    Nun war die Reihe an Faun. Er hatte kaum Erfahrung mit Pferden und begann sich damit abzufinden, das Tier zurücklassen zu müssen. Doch als er gerade am Zaumzeug zerrte, um die störrische Stute auf den Brettersteg zu lotsen, kam Tiessa zurück, nahm ihm die Zügel ab und vollbrachte das gleiche Wunder ein zweites Mal. Nur Augenblicke später beruhigte sich das Pferd und folgte ihr über die Grube. Faun wartete nervös ab, bis das Paar drüben ankam, ehe auch er die schwankenden, knirschenden Bretter betrat.
    Er war gerade zwei Schritt weit gekommen, als in seinem Rücken ein grässliches Fletschen und Fauchen ertönte. Ihm blieb keine Zeit mehr, sich umzudrehen, denn im selben Augenblick rammte etwas in gestrecktem Sprung zwischen seine Schulterblätter, stieß ihn nach vorn und hinab in die Grube. Krallen scharrten noch im Sturz über seinen Körper, stinkender Atem hüllte ihn ein, Fänge schlugen aufeinander – dann

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