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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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krachten Junge und Hund gemeinsam auf den zerfurchten Felsboden, gleichermaßen überrascht von dem abrupten Aufprall.
    Irgendwo über ihnen schrien Tiessa und Elegeabal durcheinander, die Pferde wieherten und trampelten, und weitere große Schatten erreichten den Holzsteg, verharrten aber im letzten Moment und schlichen knurrend und fauchend an der Felskante entlang.
    Grauenvoller Gestank erfüllte die Grube. Faun rollte zur Seite. Elegeabal rief seinen Namen, beugte sich vor und ließ die Lampe am ausgestreckten Arm über der Kante baumeln, damit Licht bis zum Grund des Felsenlochs fiel. Allzu tief war die Grube nicht, vielleicht anderthalb Mannslängen, aber das reichte aus, um Faun hier unten festzusetzen.
    Wo war der Panzerhund?
    In Panik robbte Faun rückwärts bis zur Wand. Der Boden war bucklig und von scharfkantigen Spuren der Grabungen zerfurcht. Tiessa schrie seinen Namen, während die übrigen Hunde zähnefletschend an der Felskante entlangstreiften und sich nicht auf die schwankenden Bretter wagten. Sie hatten ihren Rudelbruder in der Tiefe verschwinden sehen und besaßen genug verschlagene Intelligenz, nicht das gleiche Risiko einzugehen. Zugleich war es nur eine Frage der Zeit, ehe sie erkennen würden, dass sie die Grube umgehen konnten, wenn sie nur weit genug nach rechts oder links liefen.
    Fauns Blick huschte umher. Zitternd schob er sich mit dem Rücken an der Wand hinauf. Sein Bündel behinderte ihn, drohte sich zu verkanten. Dann aber stand er unsicher auf den Beinen. Seine Brust schmerzte, so schnell pumpte sein Herz, und er hatte sich bei dem Sturz mehrere Prellungen zugezogen.
    Vor ihm schlich der gestürzte Panzerhund in Lauerhaltung aus dem Schatten des Holzsteges, ein schwarzer Koloss, auf dessen Körper der Lampenschein schimmerte. Sein Fell war zu etwas verklebt, das wie Rinde aussah. An zahllosen Stellen war die Oberfläche aufgebrochen; sie nässte, wo sich das Tier gekratzt und gebissen hatte, halb wahnsinnig vor Juckreiz. Tränende Augen glühten in leichenhaftem Weiß, und das Gebiss knirschte wie blanker Knochen, als die Kiefer beim Fletschen aufeinander rieben.
    Faun zerrte den Dolch hervor. Die Waffe kam ihm lächerlich vor im Vergleich zu der mörderischen Kraft des schwarzen Biests. Der Hund schlich auf ihn zu, den Bauch fast am Boden, den Rücken zum Angriff gekrümmt. Sein Fauchen verwob sich mit dem Knurren und Fletschen der Tiere oben an der Felskante.
    Ein Stein kam angeflogen und traf den Hund in der Grube am Schädel. Der Koloss riss den Kopf hoch und schnappte zornig ins Leere. Der Sturz hatte ihn verwirrt, und er zog eines seiner Hinterbeine nach. Tiessa packte einen zweiten Stein und traf zwischen den vorderen Schulterblättern. Dort prallte er von der Panzerborke ab und schepperte davon.
    »Mehr Steine!«, rief Tiessa Elegeabal zu. Der Alte stellte die Lampe am Rand der Grube ab und verschwand im Dunkeln. Dadurch verschoben sich Licht und Schatten, rund um Faun wurde die Umgebung merklich finsterer. Der Hund wurde wieder zu einem gewaltigen Umriss, stinkend und fauchend. Er richtete seine Aufmerksamkeit jetzt erneut auf den Menschen, der mit ihm hier unten gefangen war.
    Faun brachte keinen Ton heraus. Mit dem Rücken an der grob gehauenen Wand hielt er den Dolch vor sich und wagte nicht, sich zu bewegen, um das Tier nicht noch stärker zu reizen.
    »Hier!«, hörte er den Traumdeuter weiter oben sagen, und gleich darauf flogen zwei weitere Steine in die Grube. Einer, so groß wie eine Männerfaust, traf den Hund am Auge. Der andere schlug gegen seine Schnauze. Für einen Moment ließ das Biest von Faun ab, machte einen taumelnden Satz gegen die Felswand und schnappte vergeblich nach Tiessa und Elegeabal. Sekundenlang stand es auf zwei Beinen, die Vorderpfoten an die Wand gelehnt, dann knickte es mit dem verletzten Hinterbein ein. Zorniges Bellen und Jaulen drang aus seiner Kehle.
    Faun warf sich nach vorn. So fest er konnte stieß er den Dolch in die gepanzerte Flanke. Die Klinge prallte ab, schrammte über die Oberfläche – und drang durch eine der offenen Wunden, die sich das Tier in seinem Wahn selbst beigebracht hatte. Die mächtigen Kiefer schnappten unweit von Fauns Gesicht zusammen, der Hund sackte zur Seite, überschlug sich einmal und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Der Dolch steckte zwischen seinen Rippen. Die weißen Augen glühten und zogen bei jeder Bewegung helle Bahnen durch die Dunkelheit. Für einen Herzschlag empfand Faun entsetzliches

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