Herrin der Lüge
Mitleid – Achard hatte das Tier zu dem gemacht, was es war, den Hund traf keine Schuld. Dann musste er sich auch schon mit einem stolpernden Satz in Sicherheit bringen. Der Hund begann zu toben. Er versuchte, das stechende Ding in seiner Seite mit der Schnauze zu erreichen, drehte sich dabei rasend vor Schmerz im Kreis und stürzte erneut. Diesmal blieb er zuckend auf der Seite liegen die Zunge fiel ihm aus dem offenen Maul, sein rasselnder Atem erstarb.
Faun machte langsam einen Schritt auf das Tier zu.
»Was tust du denn da?«, brüllte Elegeabal von oben, und sogleich antworteten die Hunde auf der gegenüberliegenden Seite mit Gebell. »Bleib da weg!«
Aber Faun hörte nicht auf ihn. Er sackte neben dem leblosen Körper auf die Knie. Wie in Trance streckte er eine Hand aus und strich über die Flanke des Hundes. Der Brustkorb bewegte sich nicht mehr. Faun war zum Heulen zu Mute, nicht aus Angst um sein Leben oder weil ihm alles wehtat. Er hatte Hunde immer gemocht, und er hasste Achard für das, was er diesen Tieren antat.
»Faun!«
Durch einen Tränenschleier sah er zu Tiessa hinauf. Sie zerrte gerade an den Brettern, um den Steg auf der Seite der Hunde zum Einsturz zu bringen. Elegeabal bückte sich, um ihr zu helfen.
»Pass auf!«, rief sie, als das Ende des Bretterstegs verrutschte und hinter Faun in die Tiefe krachte. Auf ihrer Seite aber blieb er oben liegen und bildete eine Schräge. »Komm hoch!«
Das Knurren und Bellen der Hunde war jetzt ohrenbetäubend. Faun musste irgendwie den Kopf freibekommen, sich zwingen, einen klaren Gedanken zu fassen. Stattdessen kniete er noch immer neben dem toten Tier und befand sich in einem seltsamen Schwebezustand, irgendwo zwischen Trauer und Schock.
»Faun!«, rief Tiessa erneut, und diesmal klang es wütend. »Sie werden einen Weg hier rüberfinden. Wir müssen weiter!«
Faun rappelte sich hoch, zögerte, bückte sich erneut und zog den Dolch aus dem Hundekadaver. Er streifte das Blut ab und steckte die Waffe ein. Dann erklomm er auf allen vieren die schrägen Bretter.
Er hatte die Hälfte hinter sich gebracht, als zwei Hunde in seinem Rücken die Geduld verloren und mit zornigem Jaulen hinab in die Grube sprangen. Tiessa schrie auf. Elegeabal brüllte irgendetwas, das Faun nicht verstand. Knurren und Scharren näherte sich ihm von hinten.
Tiessa packte ihn am Arm und zog ihn das letzte Stück der Schräge herauf. Faun ließ sich zur Seite fallen und riss sie mit, während Elegeabal beidhändig das Stegende packte und über die Kante schob, gerade noch rechtzeitig, ehe die Hunde denselben Weg nehmen konnten. Krachend landeten die Bretter am Boden der Grube. Das aufgebrachte Bellen der Tiere erreichte einen neuen Höhepunkt, wie tollwütig warfen sie sich gegen die Felswand. Aber die Grube war zu tief, die Hunde schafften es nicht herauf. Im Blutrausch liefen sie vor und zurück, sprangen wieder und wieder am Fels empor oder schnüffelten an ihrem toten Artgenossen.
Die Pferde tänzelten aufgeregt, und jetzt erst wurde Faun bewusst, wie wenig noch fehlte, bis sie durchgehen würden. Das Hundegebell machte ihnen schreckliche Angst, sie konnten den aufgepeitschten Zorn dieser Kreaturen spüren.
Augenblicke später waren die drei wieder unterwegs, folgten Elegeabals Lampenschein und versuchten, die Beben zu ignorieren, die sich jetzt immer häufiger wiederholten.
»Wir werden hier unten verschüttet werden«, flüsterte Faun.
»Nicht, wenn wir rechtzeitig einen Ausgang erreichen«, widersprach der Traumdeuter.
»Kennst du noch einen anderen?«
»Sicher.«
»Wie weit ist das von hier?«
Der Boden erzitterte, und eines der Pferde stellte sich panisch auf die Hinterbeine. Tiessa entging nur mit Glück den strampelnden Vorderhufen. Gleich darauf aber hatte sie das Tier wieder unter Kontrolle, flüsterte beruhigend in sein Ohr und streichelte seine Blesse.
»Es ist noch ein Stück«, gab der Traumdeuter vage zurück und die Art, wie er »ein Stück« sagte, ließ wenig Zweifel daran dass ein gehöriger Marsch vor ihnen lag.
Das Gebell der gefangenen Hunde folgte ihnen hallend durch Schächte und weite Felskammern.
»Wir müssen durch die Halle des großen Drachen«, sagte Elegeabal, als sie gerade eine Rampe hinaufstiegen. Die Hufe der Pferde scharrten darüber hinweg und drohten immer wieder abzurutschen.
Sie gingen jetzt schweigsamer. Irgendwann brach das Hundegebell ab, was bedeuten mochte, dass die Tiere wirklich zurückblieben oder aber erneut die
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