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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Kirche auf ihrer Seite, darum wird der Kaiser vorsichtig sein, sich erneut offen gegen sie zu stellen.« Saga lehnte sich mit dem Rücken gegen die Reling. »Sie sagt, wenn es ihm allerdings gelänge, mich zu beseitigen, könnte der ganze Kreuzzug scheitern. Nach einer Weile würden die meisten sie wieder vergessen, auch die Kirche, und dann gäbe sie wieder ein leichtes Ziel für Ottos Attentäter ab.«
    Sie wollte noch etwas hinzufügen, aber nun zahlte sie den Preis dafür, sich nicht an die Anweisungen der Heilerin zu halten. Ein grauenhafter Schmerz raste von ihrer Wange über ihr Gesicht, so heftig, dass sie taumelte und mit beiden Händen nach der Reling greifen musste. Jorinde war sofort neben ihr und stützte sie, und diesmal war Saga dankbar. Gott, sie war zum Krüppel geworden!
    Ganz allmählich lösten sich die Schleier vor ihren Augen wieder auf, und der Schmerz wurde zu einem Ziehen und Pochen, gerade noch an der Grenze des Erträglichen.
    »Du solltest dich wieder hinlegen«, sagte Karmesin.
    »Sag mir, was du darüber denkst.« Sie schwankte leicht, hielt sich aber mit Jorindes Hilfe auf den Beinen.
    »Warum gerade ich?
    »Du kennst den Papst.«
    Karmesin runzelte die Stirn. »Du glaubst, er hätte damit zu tun?«
    Jorinde mischte sich ein. »Karmesin ist hier, weil der Papst es so gewollt hat. Und sie war es doch, die den Attentäter getötet hat. Das passt nicht zusammen, Saga.«
    Auch während Jorinde sprach, sahen Saga und Karmesin nur einander an. Die Konkubine lächelte plötzlich, doch es wirkte jetzt ernsthafter als zuvor. »Saga denkt, das Attentat sei nur ein Vorwand gewesen, damit ihr anderen meine Anwesenheit schneller akzeptiert – dass der Mörder nur hier war, damit ich sie vor ihm retten und mich so leichter in euer Vertrauen schleichen konnte.«
    Saga hielt Karmesins Blick stand. Es war kein Vorwurf in den Augen der Konkubine, eher Erstaunen. Vielleicht, nein, ganz sicher hatte sie Saga unterschätzt. Sie hatte jemanden anderes erwartet: ein dummes Bauernmädchen, vielleicht, einfältig genug, sich von einer Frau wie Violante manipulieren und ausnutzen zu lassen. Stattdessen stand sie nun Saga gegenüber – und wusste noch immer nicht genau, woran sie mit ihr war.
    »Ist es denn so, wie du sagst?«, fragte Saga.
    »Nein.«
    Jorinde blickte zwischen ihnen hin und her. Sie sah aus, als wollte sie Karmesin zu Hilfe kommen, ließ es dann aber bleiben. Vielleicht zweifelte sie selbst für einen Augenblick an ihrer neuen Freundin.
    »Wenn der Papst nicht dahinter steckt, und auch nicht der Kaiser – wer dann?«, fragte Saga.
    Karmesin ballte ihre schlanke Hand zur Faust. Eine Zornesfalte erschien zwischen ihren dunklen Brauen. »Es ist kompliziert.«
    Saga sagte nichts, sah sie nur abwartend an.
    Karmesin seufzte, fasste sie am Arm und führte sie zusammen mit Jorinde ans äußerste Ende des Achterdecks, aus dem Sichtfeld der Ruderer, deren Blicke begierig am Körper der Konkubine hingen.
    Mehrere Schiffsstockwerke unter ihnen zog die Santa Magdalena einen schäumenden Schweif durch die Wogen. Die Wassermassen schlugen lärmend zusammen und machten es unmöglich, die Unterhaltung der drei aus größerer Entfernung zu belauschen. Saga warf einen Blick zurück zur Treppe, wo ihre Leibwächterinnen Stellung bezogen hatten. Auch Kapitän Angelotti und sein Steuermann waren weit genug entfernt und mit der Navigation der Galeere beschäftigt.
    »Ich habe den Mann gekannt, der versucht hat dich umzubringen«, sagte Karmesin. »Es war nicht das erste Mal, dass wir ihm begegnet sind.«
    »Wir?«
    »Die Karmesinschwesternschaft. Eine, die vor mir den Namen der Karmesin trug, hat ihm vor langer Zeit die Kehle durchgeschnitten. Ich habe nur zu Ende gebracht, woran sie damals gescheitert ist.«
    »Wie konnte er das überleben?«
    »Ich weiß es nicht. Niemand weiß es, außer vielleicht der Mann, der schon einmal seine Dienste in Anspruch genommen hat. Kardinal Oldrich von Prag. Ich glaube, dass er es war, der ihn auf dich angesetzt hat.«
    »Also doch der Heilige Stuhl!«
    »Nein! Kardinal Oldrich steht dem Papst nahe, das ist wahr. Aber Innozenz ist kein Dummkopf. Er weiß genau, dass Oldrich eigene Pläne hat und seit jeher versucht, auf Innozenz’ Entscheidungen einzuwirken. Oldrich war da gegen, euren Kreuzzug zu unterstützen. Er hat den Papst beinahe angefleht, dich beseitigen zu lassen. Innozenz hat sich nicht darauf eingelassen und stattdessen dem Gesandten, den ihr in Mailand getroffen

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